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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gefährlichste und stärkste Jäger, den es jemals auf dieser Welt gegeben hat. Und
mit Sicherheit auch einer der klügsten.«
Abu Dun versuchte erneut, sich gegen seine Fesseln aufzubäumen.
Wieder war es vergebens.
»Warum tut er das, Andrej?«, wimmerte Stanik. »Warum hat er uns
nicht einfach umgebracht?«
»Weil es nicht unser Leben ist, das er will«, antwortete Andrej. »Es
ist unsere Furcht, von der er existiert. Habe ich Recht?«
Blanche nickte. »Wie ich schon sagte: Du bist ein kluger Mann.
Wäre es anders gekommen, hättest du ein wirklich gefährlicher Gegner werden können. Hättest du dich nur nicht in dieses dumme Mädchen verliebt. Es ist so leicht, euch zu manipulieren, wenn man eure
Schwächen kennt.«
Er wurde noch einmal zu Maria und sah ihn aus ihren sanften, von
unendlicher Liebe und Zuneigung erfüllten Augen an. Doch weder
dieser Blick noch das betörend schöne Gesicht vermochten Andrej
noch zu täuschen. Die Kreatur hatte keine Macht mehr über ihn. Sie
hatte Maria niemals getroffen, sondern sich nur des Bildes bedient,
das sie in seinen Erinnerungen und Träumen gefunden hatte. Das… Ding, das er in den Armen gehalten hatte, war so wenig Maria, wie
die Leiche draußen im Wald die Abu Duns gewesen war. Die Bestie
hatte ihm lediglich einen Spiegel vorgehalten, in dem er seine größten Sehnsüchte, aber auch seine schlimmste Furcht gesehen hatte.
Etwas in Andrej zog sich zu einem harten, schmerzenden Ball zusammen, als er daran dachte, was er mit diesem Ungeheuer getan
hatte, während es Marias Gestalt angenommen hatte.
»Warum hast du ihn am Leben gelassen?«, fragte er mit einem
Blick auf Abu Dun. »Willst du uns beide zugleich töten? Als besonderen Festschmaus?«
»Jetzt überschätzt du dich, Andrej«, antwortete Blanche spöttisch.
»Ich werde dich töten. Jetzt. Und dein großer, starker, tölpelhafter
Freund wird dabei zusehen. Er hat es dir nie verraten, nicht wahr?«
»Was?«
»Wie unendlich tief seine Freundschaft zu dir ist«, antwortete Blanche. »Für dich ist er ein Freund. Aber ihm bedeutest du weitaus
mehr. Dich sterben zu sehen, wird ihm unendliche Qualen bereiten.
Ich werde es genießen.« Er schien noch mehr sagen zu wollen, doch
plötzlich brach er ab und lauschte angestrengt.
Auch Andrej konzentrierte sich. Er war nicht sicher - möglicherweise waren Blanches Sinne schärfer als seine, vielleicht war er auch
zu erschöpft -, aber nach einem Augenblick glaubte auch er etwas zu
hören: Stimmen, Rufe, ein aufgeregtes Durcheinander von Schritten
und Hufgetrappel.
»Ich fürchte, dass wir unser erfrischendes Gespräch jetzt beenden
müssen, so viel Freude es mir auch bereitet hat«, sagte Blanche.
»Meine Gäste sind eingetroffen, und es wäre unhöflich, sie länger als
nötig warten zu lassen.«
»Beantwortest du mir noch eine Frage?«, wollte Andrej wissen.
Blanche nickte.
»Frederic«, sagte Andrej. »Woher wusste er von Maria?«
»Frederic?«, wiederholte Blanche verständnislos. Dann hellte sich
sein Gesicht auf. »Oh ja. Frederic. Dracul. Der Pfähler. Der Drache.«
Bei jedem Wort wurde sein Grinsen breiter. »Ja, ich erinnere mich.
Er war hier, für eine Weile. Er hat mir von euch erzählt. Von dir.
Dem Vampyr, der von seinem eigenen Volk verachtet und gejagt
wird, weil er so viele seines eigenen Blutes getötet hat. Er hat mich
neugierig auf dich gemacht. Ich habe ihn am Leben gelassen, damit
er dich zu mir schickt.« Er machte eine abschließende Handbewegung. »Genug! Zeit, den Tod kennen zu lernen, Unsterblicher!«
Blanche trat einen Schritt auf ihn zu. Andrej bereitete sich auf einen
Kampf vor, da erschallte hinter ihm ein so gellender, unmenschlicher
Schrei, dass ihm schier das Blut in den Adern gefror. Stanik stürmte
mit erhobenen Armen an ihm vorbei und stürzte sich auf den Weißhaarigen. Blanche fegte ihn mit einer lässig wirkenden Bewegung
zur Seite. Stanik taumelte haltlos zurück und verfing sich in den
klebrigen Fäden des Netzes, in das Blanche ihn gestoßen hatte. So
schnell und überraschend, dass Andrej gar nicht richtig begriff, was
überhaupt vor sich ging, stürmte eine zweite, kleinere Gestalt in einem brandfleckigen, blutbesudelten Hemd an ihm vorbei und sprang
den Weißhaarigen an. Auch Blanche war für den Bruchteil einer Sekunde vollkommen überrascht. Nicht lange genug, um Andrej die
Möglichkeit zum Eingreifen zu geben. Elenjas Ansturm, so verzweifelt er auch sein mochte, konnte nicht ausreichen, um
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