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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unerbittlicher Kraft,
das Leben aus ihm herauszuziehen.
Andrej begriff, dass er diesen Kampf verlieren würde. Das Ungeheuer war zu stark, zu wild und zu fremd, als dass er sich seiner erwehren konnte. Irgendwo am Rande der schwarzen Unendlichkeit, in
der sie miteinander rangen, spürte er Abu Duns Gegenwart. Er wusste, dass auch er dieser Kreatur nicht gewachsen war, dass das Ding sie beide überwältigen und verschlingen würde. Es waren nicht nur
Blanches Erinnerungen. Es war nicht nur die Bosheit und Gier des
jahrtausendealten Etwas. Tief unter all dem aufgestauten Groll und
der Zerstörungswut des Namenlosen war noch etwas Älteres, Stärkeres, wie ein fauliges Geschwür, das unter ihren lautlosen Hieben aufbrach und seinen Hass freigab. Für den Bruchteil eines Gedankens,
und dennoch beinahe länger, als er es zu ertragen vermochte, blickte
Andrej ins Antlitz der wirklichen Bestie, in die alles verschlingenden
Augen dessen, was Blanche tatsächlich war; das Ungeheuer, das tief
im Grunde seiner schwarzen Seele lauerte. Aus Andrejs unbedingtem
Willen, dieses Monster zu vernichten, gleichgültig, ob es ihn das
Leben kostete, wurde Panik, als er begriff, dass sie zu schwach waren. Sein Opfer würde umsonst sein. Niemand konnte mit bloßen
Händen den Sturm aufhalten. Dieses Ding würde ihn verzehren, es
würde Abu Dun vernichten, und es würde stärker und wilder als jemals zuvor aus diesem Kampf hervorgehen und über eine ahnungslose Welt herfallen wie ein Rudel Wölfe über eine Herde wehrloser
Schafe.
Und auf einmal war da noch etwas anderes. Eine Kraft in seinem
Inneren, die aufheulte und mit aller Gewalt an den Ketten zerrte, die
er ihr angelegt hatte. Etwas, das auf seine Art ebenso fremd und
Furcht einflößend wie das Ungeheuer vor ihm war und das zu entfesseln er ebenso fürchtete. Es war der Vampyr, der den Teil seiner Seele ausmachte, dem er schon mehr als einmal fast erlegen wäre. Andrej hatte immer gewusst, dass ihn die Bestie eines Tages besiegen
würde. Wenn er sie losließ, wenn er sich gestattete, endgültig und
bedingungslos zu dem zu werden, was er tief in sich trug, würde er
vielleicht nie wieder zu seiner Menschlichkeit zurückfinden. Vielleicht gewann er den Kampf gegen das Ungeheuer Blanche nur um
festzustellen, dass er selbst zu einem Ungeheuer geworden war.
Aber er hatte keine Wahl.
Der Wechsel hatte begonnen. Da war nur noch rasender Zorn, Wut
und Hass, der sich gegen alles Lebende und Fühlende richtete. Es
war nicht mehr Andrej Delãny, der Schwertkämpfer und ewig Suchende, der gegen das Ungeheuer kämpfte. Es war der Vampyr.
Das Scheusal stieß einen lautlosen Schrei aus, als es sich diesem
neuen, unerwarteten Feind gegenübersah. Es verdoppelte seine Anstrengungen, ihn zu überwältigen. Aber vielleicht wäre nicht einmal
der Vampyr seinem monströsen Gegner gewachsen gewesen, wäre
nicht plötzlich ein zweiter, ebenso starker und ebenso hasserfüllter
Verbündeter aufgetaucht. Auch Abu Dun war nicht mehr er selbst.
Was Andrej all die Jahre lang erwartet und befürchtet hatte, war
nun geschehen. Das uralte Erbe war in der Seele des Nubiers erwacht
und hatte Abu Dun endgültig zum Vampyr gemacht.
Das Ungeheuer schrie und kreischte, schlug mit unsichtbaren Krallen um sich und fügte ihren Seelen Wunden zu, die nie wieder heilen
würden, doch ihrem gemeinsamen Ansturm war es nicht gewachsen.
Langsam aber unerbittlich drängten die beiden Vampyre ihren Feind
zurück und entrissen ihm nicht nur die gestohlene Lebenskraft, die er
ihnen genommen hatte, sondern Stück für Stück seiner eigenen. Das
Toben der Bestie wurde schwächer, während die beiden Vampyre
seine Seele verzehrten, immer größere Stücke herausrissen und ihrer
eigenen Kraft hinzufügten, wie blutrünstige Raubtiere, die ihre Beute
bei lebendigem Leib zerfetzten.
Mit einem Schlag war es vorbei. Die Bestie stieß einen letzten, elenden Schrei aus, bäumte sich auf und hörte auf zu existieren. Das
Universum aus Schmerz und Angst, in dem sie gekämpft hatten, erlosch und machte der Wirklichkeit Platz.
Andrej brach mit einem erstickten Keuchen zusammen und rollte
auf die Seite. Neben ihm fiel etwas mit einem dumpfen, lang nachhallenden Laut zu Boden. Er hörte ein rasselndes Keuchen, das nicht
aus seiner Kehle stammte. Pures Feuer brannte in ihm. Der Vampyr
tobte. So gewaltig das Mahl gewesen war, das er genossen hatte,
reichte es doch nicht aus, um seinen Hunger zu stillen. Sein Körper
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