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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition)
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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in einem letzten verzweifelten Versuch, die Lage doch noch unter Kontrolle zu bekommen.
    Aber es war zu spät. Mehrere Leute drängten sich bereits an den Wachen vorbei und versuchten nach vorne zu gelangen, wo sie Marie befreien wollten, wodurch sie einen Tumult auslösten. Dieser verstärkte sich noch, als im selben Moment prächtig gekleidete Wachen mit dem Wappen des Königs auf ihren Waffenröcken erschienen und sich rücksichtslos ihren Weg durch die aufgewühlte Menge bahnten. „Platz da“, brüllte jemand. „Macht Platz für den König!“
    Auf dieses Kommando hin flogen die Köpfe aller nach hinten. Jede Angst war vergessen, und niemand machte noch Anstalten, die Kathedrale zu verlassen. Das unerwartete Auftauchen des Königs durfte man sich in keinem Fall entgehen lassen.
    Knisternde Spannung herrschte im Raum, als der König, begleitet von seinem Senneschall, den schmalen Gang entlangschritt, den seine Wachen für ihn freigekämpft hatten.
    Vor dem Tribunal blieb König Ludwig stehen, und ein bewunderndes Raunen ging durch die Menge. Nur wenigen Menschen in der Kathedrale war es schon einmal vergönnt gewesen, den König mit ihren eigenen Augen zu sehen.
    Über seinem Waffenrock trug er einen mit Hermelin besetzten scharlachroten Mantel, der seine schlanke Gestalt imposanter erscheinen ließ, als sie in Wirklichkeit war. Joinville hatte ihn dazu überredet, diesen für die Verhandlung anzulegen, um das nach Prunk gierende Volk nicht zu enttäuschen.
    Seine feinen, charismatischen Gesichtszüge strahlten stillen Ernst und eine wahrhaft königliche Autorität aus. Aller Augen waren nun auf den König gerichtet, und man war darauf gespannt, den Grund seines unerwarteten Erscheinens zu erfahren.
    Robert seufzte beim Anblick des Königs erleichtert auf. Mit jedem Tag, der seit ihrem Aufbruch von Forez vergangen war, ohne dass er etwas von König Ludwig gehört hatte, waren seine Hoffnungen auf Hilfe weiter geschwunden. Und in den letzten Tagen hatte er sich im Kerker immer wieder das Schlimmste ausgemalt: Der Bote, der König Ludwig seine Botschaft überbringen sollte, konnte unterwegs überfallen worden sein, oder der König hatte seine Nachricht vielleicht gar nicht erhalten, weil er sich außerhalb von Paris aufgehalten hatte. Genauso gut hätte der König durch wichtige Staatsgeschäfte, die keinen Aufschub erlaubten, daran gehindert sein können, Roberts dringendem Hilferuf Folge zu leisten. Und zu guter Letzt war nicht einmal sicher, ob der König sein Versprechen nicht schon längst vergessen hatte.
    Doch König Ludwig nickte ihm unmerklich zu, bevor sein Blick dann zu Marie glitt, die ihm direkt in die Augen sah.
    Wie viel Zeit war vergangen, seitdem er die Kathedrale besucht und diesem Mädchen in die dunklen Augen gesehen hatte? Er wusste es nicht mehr, aber es war auch nicht wichtig. Denn seitdem war kein Tag vergangen, an dem er nicht an dieses seltsame Mädchen gedacht hatte. Mit einem Blick aus ihren tiefgründigen Augen hatte sie ihm seine Schmerzen genommen und ihm neue Kraft und Hoffnung gegeben.
    Auf einmal wurde ihm bewusst, wie sehr er sich die ganze Zeit danach gesehnt hatte, Marie wiederzusehen. Der Kreuzzug hatte tiefe Wunden in ihm hinterlassen und seine Zweifel, ob es tatsächlich Gottes Wille gewesen war, den er befolgt hatte, verstärkt. Jetzt aber fühlte er sich wie damals von den dunklen Augen der jungen Frau getröstet, und tiefe Dankbarkeit erfüllte ihn, als die schwere Last endlich von seiner Seele genommen wurde.
    Robert schickte ein heimliches Stoßgebet gen Himmel. Der König hatte sein Versprechen, Marie zu helfen, gehalten und war seinem Ruf gefolgt. Atemlos wartete er darauf, was weiter geschehen würde.
    „Was wirft man diesem Mädchen vor?“, fragte König Ludwig streng.
    Entschlossen trat Albertus vor.
    „Das Heilige Gericht der Inquisition hat sie für schuldig befunden, gemeinsam mit Robert de Forez den Mord an Bruder Gregor begangen zu haben“, erklärte er bereitwillig, obwohl er sich das plötzliche Auftauchen des Königs genauso wenig erklären konnte wie alle anderen.
    Radulfus wurde nervös.
    „Dieses Mädchen steht unter meinem Schutz, ich verbürge mich für sie“, erwiderte König Ludwig.
    „Aber sie hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und ist für schuldig befunden worden“, widersprach Albertus, der nicht bereit war, auf seinen Sieg über das Böse zu verzichten. „Wir haben Zeugen.“
    Er konnte nicht verstehen, wie es sein konnte, dass
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