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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam
Autoren: Linda Belago
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die Anzahl der Arbeiter, die bleiben wollten, würde ausreichen. Aber nun lag es schwarz auf weiß vor ihnen. Jeans akkurat geführtes Abrechnungsbuch mahnte zu schnellem Handeln.
    »Wir sollten es uns noch einmal überlegen.« Jean schob Julie einen Zettel über den Tisch. »Renzler hat gesagt, noch sind nicht alle indischen Kontraktarbeiter vergeben.«
    Julie spürte sofort einen heftigen Widerwillen. Sie mochte diesen Renzler nicht, der seit Wochen von Plantage zu Plantage fuhr, um seine Kontraktarbeiter anzupreisen wie Orangen auf dem Markt. Renzler vermittelte die indischen Arbeitskräfte, die ins Land kamen, und nun war bereits das vierte Schiff mit neuen Menschen vor Paramaribo vor Anker gegangen. Julie hatte von einigen Plantagen gehört, die inzwischen ausschließlich indischeArbeiter beschäftigten. Jung, kräftig und arbeitswillig. Gefügiger als die Neger und von ruhigem Temperament , so stand es auf dem Flugblatt, das Renzler ihnen bei seinem letzten Besuch übergeben hatte und das Julie nun in den Händen hielt. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und blickte nachdenklich auf die Zeilen. Sie wusste, welche Antwort Jean von ihr erwartete, und ihr war nicht wohl dabei. Den Kontraktarbeitern dieselben Versprechungen zu machen wie den ehemaligen Sklaven – gesicherte Löhne, Land und Unterkunft – war in Julies Augen nicht mehr als ein Luftschloss.
    »Ich habe Angst, dass es diesen Menschen dann ähnlich ergeht wie den Sklaven. Ich meine, die einen sind gerade frei, da kommen schon die nächsten … ich weiß nicht.«
    »Du hast doch gehört, was Renzler gesagt hat. Und«, Jean beugte sich über den Tisch und tippte von hinten an das Blatt Papier, das Julie noch in der Hand hielt, »da steht es doch auch: Diese Arbeiter verpflichten sich für fünf Jahre und bekommen dann entweder die Rückreise in ihre Heimat bezahlt oder die Möglichkeit, sich hier auf einem Stück Land niederzulassen. Das sind doch ganz gute Bedingungen.«
    »Du glaubst doch wohl nicht, dass sich dieser Plan zur Zufriedenheit aller in die Tat umsetzen lässt!«
    »Julie, den Menschen wird es gut gehen auf Rozenburg! Wir brauchen dringend Arbeitskräfte, und wir können ihnen hier Unterkunft und Versorgung bieten, und ob Sklave oder Inder – wir haben genug Platz auf der Plantage.«
    Julie warf ihm einen strafenden Blick zu, dem er aber auswich. Das Wort Sklave, das so viele immer noch verwendeten, hatte für sie einen bitteren und bösen Beigeschmack. Viele der anderen Plantagenbesitzer oder Geschäftsleute in der Stadt waren der festen Überzeugung, dass Gott den schwarzen Mann geschaffen hatte, um den Weißen untertan zu sein. Sie wusste, dass Jean diese Einstellung nicht teilte, ärgerte sich aber darüber, dass erso unbedarft mit den Begriffen umging. Dennoch verzichtete sie darauf, ihn deswegen zu tadeln. Sie hatten wirklich andere Probleme.
    »Ich weiß nicht …« Julie ließ resigniert das Flugblatt sinken. Ihr widerstrebte der Gedanke zutiefst, das Angebot mit den Kontraktarbeitern in Anspruch zu nehmen, doch Jean hatte recht: Sie hatten eigentlich keine andere Wahl, wenn sie die Wirtschaft auf Rozenburg erhalten wollten. Sie hob den Blick und sah geradewegs in Jeans lächelndes Gesicht. Als er sich vorbeugte und seine Hand auf ihren Arm legte, breitete sich ein wohlig warmes Gefühl in ihr aus.
    »Wir können doch einfach mal nach Paramaribo fahren und uns diese Leute ansehen, wenn das Schiff kommt«, sagte er sanft, und das leichte Aufblitzen seiner blauen Augen verriet ihr, dass er noch nicht fertig war. »Und die Jungen werden sich sicher freuen, wenn wir zu einem kleinen Überraschungsbesuch in die Stadt kommen!«
    Julies Herz machte einen Sprung. Natürlich brannte sie darauf, die Jungen wiederzusehen.
    Als Julie wenige Tage später vom Boot aus endlich die ersten Häuser Paramaribos sichtete, schwankten ihre Gefühle wieder zwischen Freude und einer dumpfen, alten Angst. Sie war wie jedes Mal erleichtert, die mühselige Reise bald beenden zu können.
    Die Fahrt mit dem Boot in die Stadt dauerte viele Stunden und war stark abhängig von den Gezeiten. Drückte das Meer bei Flut das Wasser in den Surinamfluss, kam man nur in Richtung Landesinnere gut voran. Flussabwärts dagegen war die Fahrt dann unbehaglich und langwierig. Also machte man möglichst Rast, bis das Wasser wieder in Fahrtrichtung floss. Wo und an welcher Plantage man dabei anlegte, war zumeist unvorhersehbar, für Julie in den meisten Fällen aber
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