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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam
Autoren: Linda Belago
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nach füllten sich die kleinen, hölzernen Kojen, die in Reihen den Laderaum im Schiffsbauch durchzogen. Für jede Familie gab es nur einen Schlafplatz. Kadir bemerkte Sarinas betroffenen Gesichtsausdruck, zwang sich aber zu einem ermutigenden Lächeln und stopfte den Sack ganz hinten an die Wand. Er wusste, dass man sein Hab und Gut auch hier auf dem Schiff gut bewachen musste.
    Sarina bedeutete Inika, in die Koje zu steigen, in der lediglich eine dünne Strohmatte lag, und kletterte dann selbst mit einem Seufzer hinterher. »Komm her …« Sie zog das verstörte Mädchen an sich und wiegte es sanft.
    Kadir sah, dass seine Frau vor Erschöpfung und Angst den Tränen nahe war und bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick. Auf was hatten sie sich da nur eingelassen? Er wusste, dass er seiner Familie in den letzten Wochen viel abverlangt hatte. Erst der lange Fußmarsch nach Kalkutta, dann die trostlosen Umständeund die Warterei am Hafen. Dass jetzt diese kleine Koje für mehrere Wochen ihr Lager sein sollte, verschlimmerte das Ganze für Sarina noch. Er hätte ihr gerne mehr geboten.
    Sarina war vom ersten Tag an gegen die Reise gewesen. Kadir hingegen hatte, wie so viele andere Männer auch, dem Mann mit wachsender Begeisterung zugehört, der eines Tages im Dorf erschienen war und im Auftrag der englischen Kolonialverwaltung um Kontraktarbeiter für die niederländische Kolonie Surinam geworben hatte. Er war auf der Suche nach Männern, die bereit waren, sich in dieses ferne Land verschiffen zu lassen, um dort in Lohn und Brot zu gehen. Der Mann hatte die Zukunft in Surinam in den buntesten Farben gezeichnet und in den höchsten Tönen gelobt: Jeder bekäme dort Arbeit und später auch eigenes Land, die Bezahlung der Niederländer sei ausgesprochen gut und die Reise zudem von Anfang bis Ende von den Engländern organisiert.
    Kadir hatte nicht lange überlegen müssen. Was hatten sie in Indien schon für Aussichten? Er war der sechstgeborene Sohn einer Bauernfamilie. Seine Eltern waren arm, es gab unzählige Münder zu stopfen. Kadir konnte sich nicht daran erinnern, dass es seiner Mutter, sosehr sie sich auch bemühte, je gelungen war, all ihre Kinder wirklich satt zu bekommen. Kadir hatte dies nicht noch verschlimmern wollen, und sein Vater hatte ihn zur Heirat gedrängt und ihm auch eine Frau gesucht, Sarina. Sie kam aus einem entfernten Dorf und entstammte einer armen Familie, welche die Brautmitgift fast in den Ruin trieb. Aber so konnten sich die Brauteltern wenigstens der Tochter entledigen. Töchter standen in der Hierarchie weitaus niedriger als Söhne, und einen Mann zu finden, der sie übernahm und versorgte, war ein großes Glück. Die beiden Brautleute sahen sich zum ersten Mal während der Hochzeitszeremonie. Kadir befand, dass er Glück gehabt hatte. Sarina war eine hübsche Frau, mit langem blauschwarzem Haar und sanften dunklen Augen. Sie erwies sich schon bald als kluge, demütige Ehefrau.
    Kadir hatte, wie seine Brüder vor ihm, ein Haus auf dem Land seines Vaters gebaut, wie es die dörfliche Tradition verlangte, und versucht, sich und seine kleine Familie mit Hilfsarbeiten auf den großen Teeplantagen zu versorgen. Was ihm eher schlecht denn recht gelang. Die Bezahlung war mehr als dürftig, und die Gesamtsituation im Land war bei Weitem nicht mehr so vielversprechend wie dreißig Jahre zuvor.
    Kadir hatte fieberhaft nach einem Ausweg gesucht. In einen anderen Teil des Landes zu ziehen war eine Möglichkeit, aber ob dort die Chancen auf Arbeit und gerechten Lohn besser standen, wusste niemand. Und auch dafür brauchte er Geld, das er sich erst einmal mühsam hätte ersparen müssen. Das Angebot der Engländer kam für ihn gerade im richtigen Moment. Er hatte anschließend nächtelang mit den Männern des Dorfes die Möglichkeiten und Risiken diskutiert. Kadirs Vater hingegen zuckte nur die Achseln. Er hätte seinem Sohn gerne geholfen, sah aber keine Lösung. Kadirs Geschwistern ging es schließlich nicht anders.
    Sarina war nicht angetan gewesen von Kadirs Idee, aber ihr stand es nicht zu, sich dagegen aufzulehnen. Trotz der ärmlichen Verhältnisse und der Not, die sie alltäglich ertragen musste, war die kleine Hütte dennoch ihr Heim, waren die Menschen um sie herum ihre Familie. Hier fühlte sie sich sicher. Und dann war da ja noch Inika – so eine weite Reise in ein so fernes Land mit einem Kind?
    »Und warum kommen sie dann nach Indien und suchen Arbeitskräfte, wenn dort doch alles so
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