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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam
Autoren: Linda Belago
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nach kurzer Zeit aufgefallen, dass einige bekannte Gesichter unter den Passagieren plötzlich verschwanden. Sie hatte ihren Vater gefragt, wo diese Leute geblieben waren, er hatte aber nur ausweichend geantwortet.
    Gestorben seien sie, hörte sie die Frau aus dem Nachbarlager flüstern, gestorben. Inika bekam es mit der Angst, als es ihrer Mutter immer schlechter ging. Auch Inika selbst litt unter Übelkeit und Durchfall, was in der Enge unter Deck ein sehr beschämender Zustand war. Es gab nur wenige Aborteimer, und diese waren stets besetzt. Waschen konnten sie sich nur mit salzigem Wasser, und das rationierte Trinkwasser aus den Fässern hatte schon nach den ersten zwei Wochen einen fauligen Geschmack angenommen. Inika hatte gelitten wie nie zuvor. Inzwischen war sie zwar wieder genesen, wenn auch noch recht schwach. Sie hatte Schmerzen gehabt und sich schmutzig gefühlt, am Schlimmstenaber war es für sie gewesen, die besorgten Blicke ihrer Eltern auszuhalten. Sie hatte deshalb auch in der größten Not versucht, stark zu sein, ein Blick in die Augen ihrer Eltern aber verriet ihr, dass ihr das eher schlecht als recht gelang. Ihre Mutter hatte sie unablässig mit Kräutern behandelt, dabei aber ihren eigenen Zustand missachtet. Seit über einer Woche lag sie nun auf den schmutzigen Decken im Dämmerschlaf, blass und mit eingefallenen Wangen und wurde nur noch selten wach.
    »Alles wird gut, Inika, alles wird gut. Wir sind bald an Land. Da wird man deiner Mutter … da wird man uns helfen.« Kadir strich seiner Tochter immer und immer wieder über das lange schwarze Haar. Auch er sah mager und mitgenommen aus. Inika sah den Schmerz in seinen Augen und hörte die Zweifel in seiner Stimme, seine Worte beruhigten sie nicht. Und das Land, auf das sie jetzt zufuhren, erschien ihr nicht besonders freundlich. Je weiter sie den Fluss hinaufkamen, desto zäher wurde die warme, feuchte Luft. Auch in Indien war es warm, aber hier schien die Feuchtigkeit gleich in jede Falte der Kleidung zu dringen und Unmengen von stechenden Insekten, die Inika riesig vorkamen, mit sich zu bringen, die auf der Haut landeten und juckende Pusteln hinterließen. Nein – das war kein schönes Land! Während Inika versuchte, die lästigen Blutsauger zu vertreiben, zeigten andere Passagiere auf die ersten Häuser, die nun auftauchten. »Große Häuser, anders als die der Engländer«, murmelten sie und waren sich schnell einig, dass die Niederländer wohl noch reicher sein mussten als die Engländer. Das wiederum führte an Bord zu einer euphorischen Stimmung.
    Inika ließ ihren Blick zum Ufer wandern. Tatsächlich, dort erstreckten sich große weiße Gebäude, mit üppigen Parkanlagen davor. Sie trat einen Schritt näher an die Reling, um besser sehen zu können, und hielt sich mit beiden Händen am vom Seewind glatt geschliffenen Holz fest. Im selben Augenblick schrak sie zurück. Neben ihrem großen Schiff tummelten sich unzählige kleine Boote mit schwarzen Männern, die mit großen, weiß leuchtenden Augen zu ihnen heraufspähten und unverständliche Dinge riefen. Inika hatte noch nie Menschen mit so tiefschwarzer Haut gesehen. Ängstlich klammerte sie sich an den Arm des Vaters.
    »Das sind vermutlich … Einheimische«, versuchte er zu erklären.
    »Fahren wir wieder nach Hause?« Während der ganzen Reise hatte sie versucht, artig zu sein und nicht zu klagen. Doch jetzt übermannte sie die Angst und mit ihr die Sehnsucht nach ihrer alten Heimat, denn nun, da sie bald das Schiff verlassen würden, wurde ihr schlagartig bewusst, dass hier nichts so sein würde wie in Indien.
    »Irgendwann fahren wir wieder nach Hause, Inika, aber erst einmal müssen wir arbeiten und Geld verdienen.«
    Ihr Vater hatte es ihr oft erklärt, doch Inika hatte immer noch nicht verstanden, warum sie dafür so weit reisen mussten. Jetzt griff er nach ihrer Hand und drückte sie.
    »Komm, es kann nicht mehr lange dauern, wir packen unsere Sachen zusammen, holen deine Mutter und stellen uns schon einmal bereit, dann kommen wir als Erste vom Schiff.«
    Die Lalla Rookh ging in der Mitte des Flusses vor Anker. Ein Matrose erklärte den Passagieren, dass es noch dauern würde, bis sie zum Festland übersetzen könnten, und mahnte zur Ruhe. Doch jeder auf dem Schiff wollte so schnell wie möglich wieder festen Boden unter den Füßen haben.
    Sarina wurde von ihrem Mann mehr getragen, als dass sie selbst stand oder lief. Ihr Gesicht zeigte eine ungesunde graugrüne
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