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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam
Autoren: Linda Belago
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eine Qual. Viele der Pflanzungenwaren verwaist, und die wenigen Besitzer, die Julie noch aus früheren Zeiten kannte, bedachten sie mit misstrauischen Blicken. Immer noch kursierten Gerüchte und alte Geschichten über Julie und ihren ersten Mann. Julie hatte stets das Gefühl, beobachtet zu werden, und so mied sie den Kontakt zu anderen Weißen, so weit es ging.
    Der Surinam war ein breiter Strom, der mit seinem trüben Wasser immer etwas bedrohlich wirkte. Julie selbst hatte bereits einige Male erlebt, wie unberechenbar das Wasser sein konnte und wie verheerend sich der Fluss bei Überflutungen ausbreitete.
    Noch bedrohlicher erschien ihr aber immer noch die Stadt. Bei ihrer Ankunft fühlte sie sich jedes Mal fremd, auch wenn Paramaribo in den letzten dreizehn Jahren durchaus einen Aufschwung erlebt hatte. War der Handel zuvor fest in der Hand der Weißen gewesen, so hatten sich nach und nach Chinesen und Farbige dazugesellt. Die Chinesen, allgemein als kulis bezeichnet und ebenfalls als Arbeitskräfte ins Land geholt, stellten sich schnell für die Plantagenarbeit als ungeeignet, jedoch als äußerst geschäftstüchtig heraus. Und seit den ehemaligen Sklaven ein Lohn für ihre Arbeit zustand, florierte der Handel mit den zahlreichen neuen Kunden.
    Jetzt, da das Boot den Anleger ansteuerte, versuchte Julie, sich auf das Wiedersehen mit den Jungen zu konzentrieren. Jean hatte sich bereits erhoben und den Platz unter dem schützenden Zeltdach verlassen, welches das Boot am Heck überspannte. Er saß auf der Bank hinter den rudernden schwarzen Männern.
    »Schau, wir sollten beizeiten darüber nachdenken, ein neues Boot anzuschaffen.« Er zeigte auf einige vertäute Boote am Anleger. Diese Boote waren deutlich größer als die Zeltboote gebaut und hatten anstatt des Lagers unter den Planen stabile Holzaufbauten am Heck, mit kleinen Kabinen für die Reisenden. Früher hatte man diese Boote nur bei sehr wohlhabenden Einwohnerngesehen, heute schienen sich mehrere solch ein Boot leisten zu können.
    Julie zuckte mit den Achseln. Abgesehen davon, dass Jean genau wusste, dass die Plantage momentan kein Geld in ein neues Boot investieren konnte, mochte Julie die Zeltboote lieber. Auch wenn gelegentlich der Regen unter die gewachsten Segeltuchplanen schlug, war die Luft darunter erfrischend kühl, wenn die Sonne brannte, und selbst die allgegenwärtigen Mücken schienen sich nur ungern dorthin zu verirren.
    Nun erhob sie sich vorsichtig von ihrem Platz. Jean reichte ihr die Hand, und Julie setzte sich dankbar neben ihn, während die Männer an den Rudern nach einem freien Platz am Anleger Ausschau hielten.
    »Misi Juliette, Masra Jean.« Kiri stand in ihrer Hausuniform in der Eingangshalle des Stadthauses und begrüßte Julie und Jean mit einem kurzen Lächeln.
    »Kiri, wie schön! Alles in Ordnung? Wo sind die Jungen?« Julie freute sich sehr. Sie nahm sich die Freiheit und drückte Kiri kurz freundschaftlich mit den Händen die Oberarme. Kiri war nun siebzehn Jahre bei ihr. Auf der Plantage hatten sie ein recht freundschaftliches Verhältnis, aber hier in der Stadt verwandelte sich ihre ehemalige Leibsklavin in eine eher streng und distanziert anmutende Haushälterin, die sich allerdings ihrer Verantwortung für die Jungen sehr bewusst war. Es entging Julie nicht, dass Kiri sich ebenfalls über das Wiedersehen freute, auch wenn sie ihrem Stand gemäß versuchte, es mit keiner Miene zu zeigen.
    »Masra Henry und Masra Martin müssten jeden Moment nach Hause kommen. Dann gibt es Essen. Wenn Misi Juliette erlauben, gehe ich wieder in die Küche«, sagte sie nüchtern, aber ihre Augen blitzten. Julie kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie sich auf die Begegnung der beiden Jungen mit ihrer Mutter freute.
    Kaum war Kiri in Richtung Küche verschwunden, ertönte ein Poltern im hinteren Flur des Hauses, und Henry und Martin kamen durch die Tür in die vordere Eingangshalle gerannt.
    »Mama! Jean?«, einen kurzen Moment sah Henry sie verblüfft an, fiel seiner Mutter dann aber sichtlich begeistert um den Hals. Julie genoss die Umarmung – wie sehr hatte sie diesen Moment herbeigesehnt! Sie atmete seinen Duft ein und bemerkte erstaunt, dass er schon wieder ein Stück gewachsen war.
    Henry löste sich schließlich aus der Umarmung. Sein Gesicht glühte förmlich, sein ganzer Körper schien von Freude erfüllt zu sein. »Was macht ihr denn hier? Wir wussten gar nicht, dass ihr kommt! Ich muss dir unbedingt etwas zeigen! Und in
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