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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus
Autoren: Johanna Nicholls
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beschützen wird.
    Deine Jenny
    PS: Ich habe Wally nach Hause zu seinen Leuten geschickt – und ihm Flash mitgegeben.
    Der Brief war erst vor zwei Tagen datiert worden.
    Jake schwankte. Die Beine, auf denen er sonst durch den Boxring tänzelte, waren jetzt nicht mehr im Stande, ihn auch nur einen Schritt weiterzutragen. Er setzte sich auf die Bettkante und vergrub das Gesicht in den Händen. Unzählige Fragen schwirrten ihm durch den Kopf. Kenne ich den Kerl? Wo bringt er sie hin? Sie haben nur zwei Tage Vorsprung, aber in welche verdammte Richtung ?
    In der Hoffnung, seine kleine Prinzessin schlafend zu finden, rannte er ins Kinderzimmer. Pearls Bett war so ordentlich gemacht,
als hätte noch nie jemand darin geschlafen. Mrs. Troys Strohmatratze war abgezogen worden.
    Er durchwühlte sämtliche Schränke auf der Suche nach einem Hinweis, dass Jenny gezwungen worden war, den Brief zu schreiben, oder dass ein Buschräuber sie entführt hatte. Nur ein einziger Koffer fehlte. Drei leere Bügel hingen als stumme Zeugen dafür da, dass Jenny lediglich ihr bestes Sonntagskleid für sich und ein paar Kleidungsstücke für Pearl mitgenommen hatte.
    Die Puppen seiner Tochter saßen in Reih und Glied auf der Spielzeugkiste. Auf ihren bemalten Gesichtern lag ein grausames Lächeln, als machten sie sich über seinen Schmerz lustig.
    Und dann sah er ihn. Jennys Ehering. Das kleine Gegenstück zu seinem eigenen mit ihren eingravierten Namen und dem Hochzeitsdatum. Wie versteinert hielt er den Ring in der Handfläche und las die Inschrift. 5. Mai 1833 – Jakob und Jenny – in ewiger Liebe .
    Ewig? Nicht mal vier Jahre hat sie überdauert!
    Blind vor Wut schleuderte Jake den Ring durchs Zimmer und schlug mit der Faust gegen die Wand, sodass der Spiegel zerbarst und sein Ebenbild in scharfkantige Splitter zerlegt wurde. Am Fuß der Treppe blieb er plötzlich wie versteinert stehen, als er sich an Jennys Worte nach seinem letzten Versagen im Bett erinnerte. » Stell mich nicht auf einen Sockel .«
    Jesses! Wusste sie da bereits, dass sie mich verlassen würde? War dieser Mistkerl schon damals Teil ihres Lebens? Die Erinnerung an ihren rituellen Abschied zerriss ihm jetzt das Herz. » Wirst du mich immer und ewig lieben, Jakey? «
    Jake hatte das Gefühl, als zögen sich die Mauern um ihn herum zusammen. Gestern noch hatte er alles besessen, was ihm wichtig war. Heute – nichts mehr. Jenny hatte geschafft, was keinem Mann jemals gelingen würde: Sie hatte seine Welt zerstört. In diesem Moment schwor er, keiner Frau jemals wieder so viel Macht über sich einzuräumen wie Jenny.
    Er schlug die Haustür hinter sich zu und kehrte dem Familienleben
für immer den Rücken. Sollte die verdammte Bank von New South Wales seine Farm übernehmen und alles, was ihm gehörte. Draußen im Sonnenschein erschien ihm die ganze Welt plötzlich grau. Aller Farben beraubt. Unwirklich. Zeit und Raum waren zerbrochen.
    Er sattelte Horatio und galoppierte nach Parramatta, um Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Was, zum Teufel, sollte er angeben? Vermisst. Eine Frau mit Kind, in Begleitung. Zuletzt gesehen in Begleitung eines Unbekannten .
    Als er Horatios Zügel um das Geländer vor der Polizeistation schlang, bemerkte Jake plötzlich, dass er die Taschenpistole in der Hand hielt. Er hatte Jenny beigebracht, wie sie sich in seiner Abwesenheit schützen konnte. Trotzdem war irgendein Mistkerl unter seinem Schutzschild hindurchgeschlüpft. Jake drückte auf die Feder, sodass die verborgene Klinge heraussprang und die Waffe sich in einen Dolch verwandelte.
    »Gott steh dir bei, du Hund, ich werde dich jagen, bis ich dich zur Strecke gebracht habe.«

ZWEI
    K eziah Stanley warf einen verstohlenen Blick durch den Eingang ihres vardo . Die anderen Wohnwagen bildeten eine Wagenburg um das Roma-Lager am Rand des eigentlichen Dorfes. Gerade brach das erste Tageslicht durch den Dunst. Pferde weideten friedlich am Flussufer. Einzelne Rauchschwaden stiegen aus der Glut der kleinen Feuer, die am vergangenen Abend inmitten der jeweiligen Familienclans gebrannt hatten.
    Hinter Keziah erhoben sich die fernen Berge ihres Geburtsortes in der Clywdian Range von North Wales. Vor ihr lag die Cheshire-Route nach Liverpool. Heute war ein Meilenstein erreicht – ihr siebzehnter Geburtstag – der Tag, an dem sie nicht länger unter der Herrschaft ihrer Schwiegermutter Patronella stehen würde.
    Letzte Nacht hatte Keziah sich, wie immer mit dem geliebten Gesicht ihres Mannes
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