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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge
Autoren: Brent Weeks
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charmant und eigenwillig in jedem Sinn des Wortes, aber was die Leute oft vergaßen, war, dass er auch sehr schlau war.
    Er wollte nicht reden. Erst einmal Zeit schinden. Verwirrte sie mit etwas, was mit allem Übrigen überhaupt nichts zu tun hatte, und brachte sie in Rechtfertigungsnot. So ein Bastard! Sie war verschwitzt, klebte und stank, wie konnte er ihr da bloß Komplimente machen?
    Wie konnte er es wagen, nett zu sein, nachdem sie ihm ins Gesicht geschlagen hatte?
    Wie konnte sein dummer kleiner Schachzug Erfolg haben, obwohl sie doch genau durchschaute, was er beabsichtigte?
    »Scher dich zur Hölle«, sagte sie und ging davon.
    Toll gemacht, Karris. Echt professionell, echt damenhaft, echt höflich. Dieser Bastard!

5
    Wie kann eine Frau einen dazu bringen, dass man sie zugleich ins Meer werfen und küssen will, bis ihr der Atem wegbleibt? Karris ging, und Gavin konnte nicht umhin, ihre Figur zu bewundern.
    Verfluchtes Weibsbild.
    Gavin bemerkte, dass einige der Seeleute auf Deck ihre Figur ebenfalls zu schätzen wussten. Er räusperte sich lautstark, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und legte seine Stirn in Falten; sie fanden schnell wieder eine Beschäftigung.
    »Ist das denn absolut notwendig, Lord Prisma?«, erklang eine Stimme hinter Gavin. Es war Gavins neuer General, der Mann, der vor sechzehn Jahren mit ihm zusammengearbeitet hatte und damals Dazens tüchtigster General gewesen war: Corvan Danavis. Es hatte etliche kluge Schachzüge gebraucht, um alle glauben zu machen, dass Gavins »Feind« jetzt Befehle von ihm entgegennahm.
    »Ist mit ›das‹ etwa das gemeint?« Gavin zeigte auf eine vom Mastkorb herabhängende Strickleiter.
    »Ja.« General Danavis war der Typ Mann, der vor einer Schlacht betete, nur für den Fall des Falles, und dann seinen Aufgaben nachging, als hätte er absolut keine Angst vor dem Tod. Gavin glaubte nicht, dass er Angst auf die gleiche Weise empfand, wie das andere Menschen taten – doch Höhen konnte er auf den Tod nicht ausstehen.
    »Ja«, sagte Gavin. Er kletterte als Erster die Strickleiter empor. Als er sich in den Ausguck hinaufschwang, befiel ihn abermals ein Gedanke, der ihm regelmäßig kam: Sein ganzes Leben gründete auf Magie. Er kletterte ohne jede Furcht so hoch hinauf, weil er wusste, dass er, falls er fiel, schnell genug wandeln konnte, um sich aufzufangen. Doch obwohl er absolut furchtlos erscheinen mochte, war er es nicht. Es bestand einfach bloß kaum je eine Gefahr für ihn – ganz anders als für die meisten übrigen Menschen. Die Leute sahen ihn unglaubliche Dinge tun und hielten ihn für unglaublich. Und doch beruhte das Ganze auf einem Missverständnis.
    Die plötzliche Angst durchfuhr ihn so stechend, dass Gavin für einen Moment dachte, ihn habe tatsächlich ein Messer in den Bauch getroffen. Er holte tief Luft.
    Corvan kam herauf, den Blick starr auf den Mastkorb gerichtet, die Hände an jede Sprosse geklammert, als stehe sein Leben auf dem Spiel. Gavin mutete seinem Freund diese Tortur nur äußerst ungern zu, aber es gab Gespräche, bei denen man auf keinen Fall das Risiko eingehen durfte, belauscht zu werden.
    Gavin half dem General in den Korb und gab ihm Zeit, wieder zu Atem zu kommen. Zumindest waren die Schutzgeländer hier oben schön hoch und stabil. Unten versahen die Matrosen ihre Arbeit. Der Morgenwind frischte auf. Die erste Wache überprüfte Taue und Knoten, und der Kapitän war mit einem Sextanten auf dem Achterdeck und versicherte sich ihrer Position.
    »Ich habe Blau verloren«, sagte Gavin. Kotz es raus. Saubermachen kannst du später.
    Der Gesichtsausdruck seines Gegenübers verriet ihm, dass Corvan Danavis keine Ahnung hatte, wovon er sprach. Sein Freund strich sich über den roten Schnurrbart, den er sich nun nachwachsen ließ. Damals im Krieg war er für die Perlen bekannt gewesen, die ihm von diesem Schnurrbart baumelten. »Welches Blau?«
    »Ich kann kein Blau mehr sehen, Corvan. Es ist ein sonniger Morgen, ich starre in den Himmel und auf die Azurblaue See – und ich kann kein Blau sehen. Ich sterbe, und du musst mir helfen zu entscheiden, was ich tun soll.«
    Corvan war einer der klügsten Männer, die Gavin kannte, aber jetzt wirkte er ratlos. »Lord Prisma, etwas Derartiges ist noch nicht … Moment mal, bitte eins nach dem anderen. Ist das während deines Kampfes mit dem Meeresdämon passiert?«
    »Nein.« Gavin blickte auf die Wellen hinaus. Das Schaukeln des Schiffes hatte etwas Beruhigendes, und
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