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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge
Autoren: Brent Weeks
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rhythmisch; ein Kreis, der sich erst enger zusammenzog und dann weiter öffnete, während er das Wasser durch die Kiemen pumpte und fast so wie bei Gavins Gleiter hinten wieder ausstieß.
    Gavins Arme zitterten, und seine Schultern brannten von der Muskelanstrengung, mit der er seinen ganzen Körper und sein Boot durch die Wogen vorwärtsstemmte. Fester. Verdammt noch mal, fester!
    Der Meeresdämon wölbte sich gerade in dem Moment in die Höhe, als Gavins Gleiter aus seinem Maul hervorschoss. Seine vierfachen Kiefer schlossen sich schnappend, und er stieß sich in die Lüfte. Gavin schloss die Augen, schrie auf und schleuderte Luxin, so heftig er konnte.
    Er warf einen kurzen Blick über die Schulter und sah das Unmögliche: Der Meeresdämon hatte tatsächlich einen Satz durch die Luft gemacht. Sich in ganzer Länge aus dem Wasser erhoben. Sein gewaltiger Körper krachte zurück in die See. Es war, als wären alle sieben Türme der Chromeria gleichzeitig ins Meer gestürzt.
    Aber Gavin war schneller, hatte seine volle Geschwindigkeit nun erreicht. Von der verrückten Freiheit des Fliegens und der leuchtenden Leichtigkeit des Lebens erfüllt, lachte er auf. Lachte und lachte.
    Der Meeresdämon folgte ihm wütend, er brannte immer noch rot und bewegte sich noch schneller als zuvor. Aber solange der Gleiter mit Maximalgeschwindigkeit dahinsauste, war Gavin außer Gefahr. Er fuhr in einer Kreislinie hinaus aufs Meer, während die fernen Gestalten von Menschen auf den Decks aller Schiffe der Flotte jubelten und das Ungetüm ihm nachsetzte.
    Gavin lockte es stundenlang immer weiter aufs Meer hinaus. Für den Fall, dass das Untier einfach blind in die Richtung weiterschwamm, in die es ihn zuletzt hatte verschwinden sehen, zog er einen großen Kreis und ließ den Meeresdämon weit hinter sich.
    Bei Sonnenuntergang kehrte Gavin erschöpft und ausgelaugt zu seiner Flotte zurück. Sie hatten zwei Segeljollen verloren, aber kein einziges Menschenleben. Sein Volk – denn mehr noch als zuvor hingen sie ihm nun mit Leib und Seele an – begrüßte ihn wie einen Gott.
    Gavin nahm ihre Verehrung mit einem matten Lächeln entgegen, aber das Gefühl der unbändigen Freiheit war verschwunden. Er hätte gern ebenfalls frohlockt. Er wünschte, sich betrinken und tanzen zu können und dann das bestaussehende Mädchen mit ins Bett zu nehmen, das er finden konnte. Er wünschte, irgendwo in der Flotte Karris aufzuspüren und dann mit ihr zu kämpfen oder mit ihr zu schlafen oder erst das eine und dann das andere. Er wünschte, die Geschichte des gerade Erlebten erzählen zu können und sie aus hunderten Mündern nacherzählt zu bekommen und dem Tod ins Gesicht zu lachen, dem sie alle so nahe gewesen waren. Stattdessen ging er, während seine Leute feierten, unter Deck. Allein. Wies Corvan ab. Hatte für seinen Sohn, der ihn mit großen Augen ansah, nur ein Kopfschütteln übrig.
    Und als er dann in seiner verdunkelten Kabine alleine war, weinte er. Nicht um das, was gewesen war, sondern um das, zu dem er werden musste.

4
    Karris hatte sich nicht denen angeschlossen, die die Rettung der Flotte vor dem Meeresdämon feierten. Sie erwachte bei Tagesanbruch, nahm ihre Waschungen vor und bürstete ihr schwarzes Haar, um sich etwas Zeit zum Nachdenken zu verschaffen. Es half nicht.
    Das Geheimnis hing an ihr wie eine lästige Klette. Sie band sich das Haar, das so schwarz war wie ihre Stimmung, zu einem Pferdeschwanz zurück. Sie hatte die letzten fünf Tage damit verbracht, die Einzelteile zusammenzusetzen: Gavin, der nach der letzten Schlacht im Krieg gegen seinen Bruder Dazen »krank« geworden war; Gavin, der ihr Verlöbnis löste; Gavin, der erstaunt war, als er von seinem Bastard Kip erfuhr; Gavin, der anders war.
    Dann hatte sie Zeit damit verschwendet, sich zu fragen, wie sie nur so dämlich hatte sein können. Sie hatte – wie alle anderen – die Veränderungen dem Trauma des Krieges zugeschrieben, dem Schock, seinen eigenen Bruder getötet zu haben. Seine prismatischen Augen waren der Beweis dafür gewesen, dass Gavin Gavin war. Ein Beweis. Gavin war hochintelligent und ein geschickter Lügner, aber es hätte ihm eigentlich nicht gelingen sollen, Karris zu täuschen. Sie kannte ihn zu gut. Genauer gesagt, sie kannte Dazen zu gut.
    Als sie mit alledem fertig war, begab sie sich wie jeden Morgen aufs Vorderdeck und begann mit ihren Dehnübungen. Sie musste jeden Tag ihre Übungen machen, sonst drehte sie durch. Ihr Vorgesetzter,
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