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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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mal an, dass Sie das Dach nicht bei diesem Wetter reparieren würden.« Sie schaute wieder aus dem Fenster und schauderte. »Ich kann nicht glauben, dass wir Aschermittwoch haben und noch mitten im Winter stecken. Wollen Sie wissen, wie warm es bei meinen Eltern war, als ich sie letzten Sonntag anrief? Vierzehn Grad.«
    »Sie haben es doch für eine gute Idee gehalten, aus dem Süden Virginias in die Adirondacks zu ziehen. Hören Sie auf, sich zu beschweren, der Frühling kommt schon noch.«
    »Zwei Wochen im Mai. Toller Frühling.«
    »Das ist schon Ihr zweiter März hier. Sie sollten es besser wissen.«
    »Ich hatte gehofft, letztes Jahr wäre ein Sonderfall gewesen.« Sie aß einen Löffel Chili und beobachtete Russ, der sich bemühte, einen großen Klecks Ketchup an der Landung auf seinem Uniformärmel zu hindern. Sie trugen stets Uniform bei ihren Mittwochsessen, schwarze Geistlichen-und braune Polizeikleidung. Sie trafen sich immer im Lokal, mitten auf der geschäftigen South Street, und setzten sich wann immer möglich in eine der Fensternischen, wo Gott und die Welt sie sehen konnten. Wie sie Dr. Anne versichert hatte, alles harmlos und korrekt.
    Nur nicht da, wo es zählte. In ihrem Gewissen. In ihren Gedanken. In ihrem Herzen.
    Ihr wurde bewusst, dass sie Russ schon ein bisschen zu lange ansah. Sie schlug die Augen nieder und machte sich an ihr Chili.
    »Was ist das für Schmutz auf Ihrer Stirn?«, fragte er.
    »Das ist kein Schmutz. Das ist Bußasche.« Sie schaute hoch und sah sein Grinsen. »Wie Sie sehr wohl wissen.«
    »Und da sagen die Leute, wir Heiden wären unrein.« Er mopste einen weiteren Zwiebelring. »Sollten Sie die Aufmerksamkeit auf diese Weise auf sich lenken? Ich meine, sagt die Bibel nicht etwas darüber, heimlich zu beten und zu fasten und nicht öffentlich in Sack und Asche zu gehen?«
    »›Und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.‹ Meine Güte. Ich bin beeindruckt. Haben Sie wieder diese Fernsehprediger gesehen?«
    Er lachte. »Ganz und gar nicht. Ich war ein treuer, wenn auch unwilliger Angehöriger der Methodistenkirche von Cossayuharie, bis meine Mutter mich nicht mehr mit Gewalt hinschleifen konnte, weil ich zu groß geworden war. Ich schätze, ein bisschen was ist hängengeblieben.« Er griff nach der Dessertkarte des Lokals, die größer war als die Karte mit den Hauptgerichten und voller appetitanregender Fotos. »Worauf verzichten Sie in der Fastenzeit? Schokolade? Bier?«
    »Ich verzichte nicht auf Essen«, sagte sie. »Der Verzicht auf etwas Essbares ist ein Relikt aus der Zeit, als wir noch nicht die Wahl zwischen tausend verschiedenen Lebensmitteln in jedem örtlichen Supermarkt hatten. Wenn alles in Hülle und Fülle – im Überfluss – vorhanden ist, bedeutet es nichts, auf ein bisschen davon zu verzichten.«
    »Huh. Bin ich gerade in die nächste Sonntagspredigt gestolpert?«
    »In die übernächste«, gab sie zu.
    »Was machen Sie also?«
    »Ich glaube, woran in unserer Gesellschaft echter Mangel herrscht, ist Zeit. Deshalb stelle ich meine während der Fastenzeit zur Verfügung. Sie glauben nicht, wie viele Wohltätigkeitsorganisationen zu Weihnachten in Geld und Unterstützung schwimmen und im März um Hilfe betteln.«
    »Aber Sie arbeiten doch schon ehrenamtlich für eine Tonne Sachen. Ich weiß, dass Sie in der Suppenküche helfen und beim Projekt zur Unterstützung der Schulbildung minderjähriger Mütter. Und Ihr Engagement für das Obdachlosenheim.«
    »Die werden alle von St. Alban’s gesponsert. Die Arbeit in der Suppenküche und im Obdachlosenheim gehört zu meinem Job.«
    Er unterdrückte ein Lächeln. »Dann zählt eine gute Tat also nicht, wenn Sie dafür bezahlt werden. Sie zählt nur, wenn sie umsonst ist.«
    »Ganz so würde ich das nicht sagen.« Sie kratzte das letzte Chili aus ihrer Schüssel. »Ich würde gern irgendwo helfen, wo ich normalerweise nicht hinkomme. An einem Ort, der nichts mit der Kirche zu tun hat.«
    »Wie wäre es mit dem Hundeasyl?«
    »O Gott, nein. Das könnte ich nicht. Entweder würde ich ein ganzes Rudel Streuner adoptieren, um die ich mich aus Zeitmangel nicht kümmern könnte, oder mir würde das Herz brechen.«
    »Die Bücherei.«
    »Erst mal müsste ich meine überfälligen Gebühren bezahlen. Ich verschlampe immer die Mahnungen. Demnächst schicken sie einen großen Typ rüber, der nur mit mir ›reden‹ will.«
    »Haben Sie schon an die Historische Gesellschaft von Millers Kill
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