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Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Kirche. Als Clare und seine Mutter sich näherten, wies er auf das schießschartenartige Fenster darin, ein Buntglasfenster, auf dem würdevolle Engel eine Gruppe von Kindern zum Thron Gottes führten. Das Fenster hatte Clare immer eigentümlich berührt – es war offensichtlich neueren Datums, in dem Mosaikstil, der in den 1970ern modern gewesen war. Und die Inschrift lautete nicht, wie man bei einer solchen Szene erwarten würde, »Lasst die Kinder zu mir kommen«, oder »Werdet wie die Kinder«. Stattdessen sahen zwei der Engel dem Betrachter ins Gesicht und hielten ein Banner mit Versen aus den Klageliedern: »Sondern er betrübt wohl, und erbarmt sich wieder nach seiner Güte. Denn er nicht von Herzen die Menschen plagt und betrübt«.
    Doch es war weder das Kunstwerk noch der düstere Vers, der Willems Aufmerksamkeit erregt hatte. Es war Wasser. Es sickerte oben durch die Einfassung, lief am Fensterrahmen hinab, sammelte sich auf dem tiefen Sims und hinterließ hässliche braune Spuren auf der hellen Steinwand.
    »O mein Gott«, sagte Dr. Anne.
    St. Alban’s war ein traditioneller Bau im Stil der Neugotik, mit langen Seitenschiffen nach Norden und Süden, die vom hochgewölbten Kirchenschiff fortstrebten. Die Dächer der Seitenschiffe waren nur drei Meter fünfzig hoch, so dass Clare, als sie nach oben schaute, mühelos die warme Maserung der Kiefernbretter erkennen konnte, die wie beim Bootsbau sorgfältig überlappten. Und obwohl die Dunkelheit des Sturms viel von dem Licht schluckte, das normalerweise durch das Buntglasfenster drang, konnte Clare ebenso deutlich die Flecken sehen, die sich an den Fugen der Bretter ausbreiteten und der Decke das brackige, fleckige Aussehen von etwas Altem und Schimmligem verliehen.
    Clares Schweigen veranlasste Dr. Anne und Willem, ebenfalls nach oben zu schauen. Während sie hinsahen, löste sich ein dicker Tropfen und traf mit einem Platschen auf die polierte Kirchenbank darunter.
    »Das ist nicht gut«, bemerkte Clare.

    »Und was haben Sie gemacht?« Der Polizeichef von Millers Kill tunkte ein Stück gegrilltes Steak in einen Papierbecher mit Ketchup und schob es in den Mund.
    Clare lehnte sich in den scharlachroten Plastiksitz zurück und sah aus dem großen Fenster des Kreemy Kakes. Eisregen prasselte auf die vorbeifahrenden Wagen und blieb an den Bäumen hängen, drückte ihre Äste bis auf den Bürgersteig hinunter. Auf der anderen Straßenseite hatte die Genossenschaftsbank orangefarbene, fluoreszierende Warnkegel auf ihre Granittreppe gestellt, die so glatt war, dass das Betreten der Bank zu einer Übung im Eisklettern wurde.
    »Was hätte ich tun sollen? Ich habe Eimer unter die tropfenden Stellen gestellt und alles mit Seilen abgesperrt. Und Lois gebeten, den Gemeindevorstand zu einer Notsitzung einzuberufen.« Sie wandte sich wieder zu ihrem Begleiter. »Wir graben den letzten Bericht des Dachdeckers aus, von vor zwei Jahren. Sie reden schon seit meiner Ankunft davon, das Ding reparieren zu lassen, und ich vermute, dass sie auch schon in den Jahren davor darüber diskutiert haben. Wahrscheinlich war es das, was dem verstorbenen, vielbeklagten Father Hames den Rest gegeben hat.« Sie rührte eine Ecke Schmelzkäse in ihr Chili. »Jetzt müssen sie natürlich eine Entscheidung treffen. Unglücklicherweise werden sie nach den Kosten entscheiden und nicht gründlich darüber nachdenken.«
    Russ Van Alstyne zeigte auf ihre Zwiebelringe. »Essen Sie das noch?« Sie bedeutete ihm, sich zu bedienen. »Sie sollten Ihren Hausmeister darauf ansetzen. Der ist doch dafür zuständig, die Sachen in Ordnung zu halten.«
    »Der Küster«, sie betonte Mr. Hadleys Berufsbezeichnung, »wird die Kirchenbank vom Boden losschrauben und sie einlagern.«
    »Ich kann das aber schon hören.«
    »Aber er ist Anfang siebzig, und seine Gesundheit ist nicht die beste. Ich muss ganz schön dahinterher sein, um ihn daran zu hindern, schwere Sachen zu heben oder auf Leitern zu klettern, um Glühbirnen auszuwechseln. Ich kann mir gut vorstellen, wie er auf dem vereisten Dach herumklettert und festzustellen versucht, wo der Schaden herrührt. Vielleicht überlebt er ja, aber ich kriege bestimmt einen Herzinfarkt.«
    Russ lachte. »Ihr jungen Spunde unterschätzt uns Greise. Ich repariere mein Dach selbst. Und mein Farmhaus ist ein gutes halbes Jahrhundert älter als eure Kirche.«
    »Sie« – sie zeigte mit dem Löffel auf ihn – »sind neunundvierzig und nicht dreiundsiebzig. Und ich nehme
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