Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste
Autoren: Wolfgang Schorlau
Vom Netzwerk:
ob er darüber nachdachte, ob er
     ihm die anstehenden Aufgaben anvertrauen könnte. Er will mich testen, dachte Uwe.
    Heinz wirkte durchtrainiert, kräftiger Oberkörper, schmale Hüften und unter dem hellblauen Jeanshemd dehnten sich beachtliche
     Oberarmmuskeln. Die Hüfte wirkte selbst in der sitzenden Haltung schmal, und der Stoff der Wranglerjeans spannte sich um seine
     Oberschenkel.
    Der Genosse treibt viel Sport, dachte Uwe, er hat sich für den bewaffneten Kampf fit gemacht. Uwe mochte keine körperliche
     Anstrengung. Schon in der Schule hatte er den geisttötenden Drill gehasst, aus dem der Sportunterricht bestand.
    Der Daimler fuhr über die Moselbrücke in Richtung Autobahn, als Heinz das Schweigen brach.
    »Wir sind das Kommando ›Andreas Baader‹, und wir haben eine Aktion vorbereitet, die dem Schweinesystem einen Schlag versetzt,
     einen richtigen Schlag, verstehst du, was ich meine?«
    Uwe zuckte unmerklich zusammen. Wenn die Genossen ihr Kommando nach Andreas Baader benannten, planten sie eine große Aktion.
     Bisher hatte noch kein Kommando der RAF den Mut aufgebracht, sich nach Baader zu benennen.
    »Wir haben alles vorbereitet«, fuhr Heinz fort, »doch jetzt ist uns das BKA auf der Fährte, verstehst du, was ich meine?«Uwe nickte.
    »Wir haben einen Plan; wir haben genau die richtige Waffe; wir haben die Fluchtwege. Nur können wir uns nicht mehr so frei
     bewegen, wie wir das gerne hätten. Deshalb müssen wir die Operation an andere Genossen abgeben, verstehst du?«
    Uwe nickte wieder.
    »Es ist eine ziemlich massenfreundliche Sache. Wir schaffen ihnen einen Tyrannen vom Hals, gegen den sie in Massen demonstrieren,
     es ist eine politisch unheimlich wichtige Sache, und wir brauchen jetzt euer Kommando, das die Operation weiterführt. Seid
     ihr bereit?«
    Uwe überlegte.
    »Wir müssen das diskutieren, aber wenn die Sache die Massen mobilisiert, dann sind wir dabei. Wir wollen nur keine abgehobene
     Sache mehr machen.«
    Heinz lachte leise.
    »Das ist eine der wichtigsten Aktionen, die je stattgefunden haben.«
    Sie befanden sich mittlerweile auf der Straße, die zum Bauplatz des Kernkraftwerkes Mühlheim-Kärlich führte. Heinz steuerte
     den schweren Mercedes auf eine Ausfahrt zu; sie verließen die Ausfallstraße an einem großen Möbelhaus, unterquerten sie und
     fuhren erneut, diesmal jedoch in Gegenrichtung, auf die große, sechsspurige Fahrbahn.
    »Wir werden dich an der Waffe ausbilden«, sagte Heinz, »auch dazu haben wir einen idealen Platz organisiert. Wir wollen nicht,
     dass etwas schief geht.«
    Uwe nickte.
    Dieser Genosse wusste, was er wollte, und diese Bestimmtheit gefiel ihm. Drei Tage später gab ihm Heinz den ersten Schießunterricht.

[ Menü ]
    3
    Dengler verließ den Schreibwarenladen, überquerte die Bolzstraße und stand kurz danach vor dem Eingang der Hauptpost.
    Der Briefmarkenautomat versteckte sich rechts neben dem zu groß geratenen Eingangsportal. Dengler zog eine Marke und ärgerte
     sich, als die Maschine das Wechselgeld in Form von weiteren Briefmarken zurückgab.
    Er schob den Umschlag in den Briefkasten.
    »Viel Spaß mit Buddy Guy!«
    Jahrelang hatte das Foto von Roman Greschbach auf allen Fahndungsplakaten die Rangliste der gesuchten Terroristen angeführt.
     Mehr als eine Million Mal hing sein Bild an Plakatsäulen, Bahnhofshallen und Bankschaltern. Der Innenminister nannte ihn im
     Fernsehen einen Topgangster, den die Polizei unbedingt fassen müsse.
    Georg Dengler jagte ihn zwei Jahre.
    Greschbach wurde die Beteiligung an zwei Attentaten zur Last gelegt. In Heidelberg sprengten Unbekannte die Chrysler-Limousine
     des US-Generals Worst. Der General saß nicht im Wagen, als die ferngezündete Bombe hochging. Sein Fahrer, ein schwarzer Sergeant
     aus Seattle, starb am Tatort. Die zweite Bombe zündete nur einen Monat später auf dem Truppenübungsplatz Baumholder und zerfetzte
     während eines Manövers einen Jeep und dessen Insassen: den amerikanischen Panzergeneral Highcourt und seinen Adjutanten.
    Beide Attentate riefen die amerikanische Regierung auf den Plan. Der US-Botschafter wurde im Kanzleramt vorstellig und verlangte
     ultimativ, die Schuldigen müssten umgehend gefasst werden. Die besten Fahnder sollten Roman Greschbach suchen, dessen Daumenabdruck
     in einer konspirativen Wohnung in Kaiserslautern gefunden wurde.Die Leitung des Bundeskriminalamtes beauftragte Georg Dengler mit der Fahndung.
    Diese Entscheidung erstaunte viele in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher