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Die Bibel Verstehen

Die Bibel Verstehen

Titel: Die Bibel Verstehen
Autoren: Anselm Gruen
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Herausforderungen des Alltags stellen.
    Der Satz, den die frühen Mönche aus dem ersten Thessalonicherbrief am intensivsten meditiert haben, ist: «Betet ohne Unterlass!» (1 Thess 5,17). Das ganze Bemühen des Mönchtums war, diese Forderung des Paulus zu erfüllen. Und auch der heilige Augustinus lässt sich von diesem Satz herausfordern. Er fragt, wie das wohl gelingen könne, ohne Unterlass zu beten. Als Antwort gibt er: Wir beten ohne Unterlass, wenn wir mit unserer Sehnsucht in Berührung sind. Die ununterbrochene Sehnsucht ist das unablässige Gebet, das in unserem Herzen aufsteigt.

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DIE BRIEFE AN TIMOTHEUS
     
    Die beiden Briefe an Timotheus gehören zu den sogenannten Pastoralbriefen. Sie sind nicht an Gemeinden gerichtet, sondern an die «Hirten» der Gemeinde (pastores) . Sie sind vermutlich erst um das Jahr 100 geschrieben, also nicht von Paulus selbst, sondern von einem Schüler, vermutlich einem Bischof, der sich auf die Autorität des Paulus beruft.
    Die Pastoralbriefe haben in der Kirchengeschichte eine große Rolle gespielt. Sie haben dazu beigetragen, dass die Kirche die Krise, die durch Verfolgung und durch die Bedrohung durch Irrlehren ausgelöst wurde, erfolgreich bestand und so zur Weltkirche werden konnte.
    Die Briefe zeigen, wie der Gottesdienst in der Gemeinde aussah (1 Tim 2,1–8). Ihr Gottesdienst war nicht nur Privatsache. Darin beteten die Christen für die ganze Welt, für alle, die in der Welt Verantwortung tragen. Gott will, «dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen» (1 Tim 2,4). Daher soll es den Christen nicht nur um das persönliche Heil gehen, sondern um das Heil der ganzen Welt. Sie sollen Sauerteig für diese Welt sein, einmal durch ihr rechtschaffenes Leben, zum andern durch das Gebet für die ganze Welt. Der Autor zitiert bei der Beschreibungder frühchristlichen Liturgie auch Lieder, die damals offensichtlich im Gottesdienst gesungen wurden. Sie fassen das Geheimnis der Erlösung in Jesus Christus in wunderbaren Bildern zusammen (1 Tim 2,5f; 3,16; 6,15f).
    Die Anweisungen für den Bischof oder die persönlichen Ratschläge des zweiten Timotheusbriefes für die Lebensführung des Timotheus sind nicht nur Zeugnisse für die kirchliche Struktur am Ende des ersten Jahrhunderts. Sie sind auch für uns heute eine Herausforderung, unsere Verantwortung für Kirche und Welt wahrzunehmen. Die Anforderungen an den Bischof gelten für jeden Christen, der Verantwortung trägt. Sie beschreiben die Voraussetzungen des Führens. Wer andere führen will, muss erst einmal sich selber führen. Er muss um ein redliches Leben bemüht sein, um Klarheit, Nüchternheit und Besonnenheit. Die beiden Timotheusbriefe zeigen uns heute, wie ein Leben auch in unserer Zeit aussehen kann, das sich nicht nach den Modetrends richtet, sondern im Geist Jesu diese Welt gestaltet.

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DER BRIEF AN TITUS
     
    Der Brief an Titus beschreibt das christliche Leben der verschiedenen Stände, der älteren Männer und Frauen, der jüngeren Männer und Frauen und der Sklaven. Manches an diesen Beschreibungen ist zeitbedingt und zeigt eine männliche Einseitigkeit. Doch der Titusbrief versucht, das jüdische und das griechische Männer- und Frauenideal miteinander zu verbinden. Bei den älteren Frauen ist von «priesterlicher Würde» die Rede. Sie werden also mit dem Begriff der Priesterin beschrieben. Für die Römer waren die Priesterinnen (Vestalinnen) die Hüter des Feuers. Das ist ein schönes Bild für die Würde der Frau, die das Feuer hüten soll, das Feuer der Liebe, das Feuer des Heiligen Geistes. In allem sollen die Christen das hellenistische Lebensideal des besonnenen und rechtschaffenen Menschen verwirklichen und so für alle Außenstehenden ein Vorbild sein. An ihrem konkreten Leben soll man ablesen können, dass sie von einem guten Geist geleitet werden.
    Der Titusbrief begnügt sich aber nicht mit der Beschreibung eines vorbildlichen Lebens. Er gibt als Begründung das Erscheinen Jesu Christi an. Der Autor beschreibt hier das Christusgeschehen in griechischen Begriffen. Die Gnade Gottes ist erschienen, sichtbar geworden, sie ist in dieser gottfernenWelt aufgeleuchtet. Und Gottes Gnade erzieht den Menschen. Sie ist wie eine Schule (griechisch paideia ) für den Menschen. In ihr lernt er, wie er richtig in dieser Welt leben soll (Tit 2,12). In Jesus ist nicht nur die Gnade Gottes erschienen, sondern auch seine Güte und Menschenliebe, ja – wie die lateinische
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