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Die Bibel Verstehen

Die Bibel Verstehen

Titel: Die Bibel Verstehen
Autoren: Anselm Gruen
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Schreckensbilder als Beginn des Endes der Welt zu deuten. Sensationslüstern hat man dann immer wieder genau das Ende der Welt vorausgesagt.
    Doch die Offenbarung des Johannes hat eine andere Bedeutung. Sie greift die apokalyptische Tradition auf. Apokalypse heißt Enthüllung. Die apokalyptischen Texte deuten jeweils die geschichtliche Situation, um die Menschen zu trösten und zu ermutigen. Daher ist die Offenbarung des Johannes kein Schreckensbuch, sondern ein Trostbuch. Sie deutet die Situation der Christen in der Verfolgungszeit unter dem römischen Kaiser Domitian (81 bis 96 nach Christus). Und sie will den Blick der Christen mitten in der bedrängenden Zeit auf das Heil richten, das in Christus schon angebrochen ist und das Gott in einem die Geschichte aufhebenden Akt unwiderruflich aufrichten wird.
    Die apokalyptischen Texte deuten aber nicht nur die äußeren Katastrophen. Man kann sie auch als Beschreibung der inneren Situation eines Menschen verstehen. Es gibt Menschen, die in ihrer Psyche katastrophale Vorstellungen haben, die sich oft in Träumen und Bildern äußern. Da haben die Menschen den Eindruck, dass sich ihr seelischerHorizont verdunkelt, dass die Sterne zur Erde fallen und die Sonne aufhört zu scheinen.
    Das sind innere Bilder für das Auseinanderfallen der Seele, für Verzweiflung und Bedrängnis und für die Angst vor dem eigenen Untergang. In diese katastrophale Seelenhaltung spricht uns die Offenbarung des Johannes Trost: «Auch wenn alles in dir zusammenbrechen mag, richte deinen Blick nach oben. Gott wirkt schon in dir. Er wird einen neuen Himmel und eine neue Erde in dir errichten. Du wirst teilhaben am endgültigen Heil. Dein Leben wird gelingen.»
    Der Autor der Offenbarung nennt sich Johannes. Er war nicht der Sohn des Zebedäus, sondern eine hoch geschätzte Persönlichkeit in den johanneischen Gemeinden. Er ist sicher auch nicht identisch mit dem Autor des Johannesevangeliums. Er schreibt ein Griechisch, das stark von semitischen Stilmitteln geprägt ist. Er kennt das Alte Testament und die jüdische Tradition und verwendet sie, um das Heil zu beschreiben, das in Jesus Christus angebrochen ist und in ihm vollendet werden wird.
    Das letzte biblische Buch wurde etwa um das Jahr 90 geschrieben, noch in der Regierungszeit von Kaiser Domitian. Es hat eine hymnische und liturgische Sprache und arbeitet immer wieder mit einer uns kaum mehr verständlichen Zahlensymbolik. Drei Zyklen von Plagen, die die Menschen auf der Erde bedrängen, werden in sieben Siegeln (Offb 6,1–17), sieben Posaunen (Offb 8,7–9,21; 11,15–19)und sieben Zornesschalen (Offb 16,2–21) beschrieben. Die Plagen sind nur das Vorspiel für die Übernahme der Herrschaft durch Jesus Christus.
    Das neunzehnte Kapitel lässt bedrängte Christen einen Blick in den Himmel tun, in dem eine große Schar von Erlösten Gott anbetet und ihm Jubellieder singt. Sie feiern die Hochzeit des Lammes (Offb 19,7f). In jedem Gottesdienst haben wir teil an dieser grandiosen himmlischen Liturgie. Im einundzwanzigsten Kapitel schauen wir den neuen Himmel und die neue Erde und das himmlische Jerusalem. Wir haben jetzt schon – mitten im irdischen Jerusalem, ja mitten in der gottlosen Stadt Babylon – teil am himmlischen Jerusalem.
    Johannes tröstet die leidgeprüften Christen mit den wunderbaren Worten: «Er wird jede Träne von ihren Augen abwischen und es wird keinen Tod mehr geben, auch keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal wird es mehr geben; denn das Frühere ist vergangen. Und er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu» (Offb 21,4f). Es sind Worte, die unsere Fixierung auf das Leid aufheben. Sie trösten den, der in seinem Leid keinen Ausweg sieht. Gott wird alles neu machen. Nichts wird so bleiben, wie es ist.
    Die Offenbarung des Johannes ist im Laufe der Kirchengeschichte für viele Bedrängte zum Trostbuch geworden, das ihnen Kraft und Zuversicht schenkte, auszuharren im Blick auf die Vollendung, die sie mit Gewissheit erwarten durften.
    Beim Lesen der Offenbarung des Johannes werden uns manche Stellen fremd bleiben. Aber es gibt genügend Worte, die uns trösten und aufrichten. Sie wollen unsern Blick aus dieser oft genug dunklen und orientierungslosen Welt heraus lenken hin zum Himmel. Im Himmel ist uns jetzt schon eine neue Welt bereitet. In der Liturgie, in der Feier der Eucharistie haben wir teil an dieser himmlischen Welt, in der Gott schon alles neu gemacht hat und welche die Offenbarung des
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