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Die Bibel Verstehen

Die Bibel Verstehen

Titel: Die Bibel Verstehen
Autoren: Anselm Gruen
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sind nicht bereit, sich selbst von der Bibel in Frage stellen zu lassen. Wenn mich ein Bibeltext verletzt oder ärgert, dann wäre es wichtig, bei mir selbst nachzuforschen, welche alten Verletzungen in mir da angesprochen werden. So könnte der Bibeltext mich einladen, meine früheren Kränkungen anzuschauen und sie zu bearbeiten, so dass sie heilen können. Wenn ich sie nicht in die heilende Liebe Gottes halten, werden sie mir den klaren Blick auf die Worte Gottes in der Bibel verstellen. Dann werde ich immer mehr Bibelstellen als nicht mehr zeitgemäß abtun. Doch das ist ein Irrweg und kein heilender und befreiender Weg, mit der Bibel umzugehen.
    Wenn wir in der Bibel lesen, geht es nicht darum, genau zu erforschen, was die Autoren sich damals gedacht haben oder welche Theologie dahinter steckt. Papst Gregor der Große meint, in Gottes Wort sollten wir Gottes Herz entdecken. Es geht beim Bibellesen also immer darum, Gottes Herz zu begegnen und in Gott mir selbst auf neue Weise zu begegnen. Bibel lesen ist immer etwas Subjektives. Ich führe einen Dialog zwischen dem Wort, das ich lese, und meinem konkreten Leben. Mein Leben legt die Schrift aus, und die Schrift legt mein Leben aus. Wenn ich den Text verstehe, verstehe ich mich selber besser. Wenn ich die Bibel lese, frage ich mich daher immer:
     
    Was will Gott mir jetzt in diesem
    Augenblick durch dieses Wort sagen?
    Welche Bilder steigen in mir hoch?
    Welche Assoziationen kommen mir?
    Was ist der Impuls heute für mich?

Die Bibel lesen:
Das eigene Leben verstehen
     
    Oft ist es besser, gar nicht viel zu «denken», sondern das Wort einfach ins Herz fallen zu lassen. Ich sage mir dann vor: «Dieses Wort beschreibtdie eigentliche Wirklichkeit. Wenn dieses Wort stimmt, wie fühle ich mich dann, wie nehme ich die Welt und mich wahr?» Wenn ich das Wort Gottes in mein Herz fallen lasse, erzeugt es in mir Frieden und Freiheit, Weite und Liebe.
    Es ist gut, allein die Bibel zu lesen . Am besten fangen Sie in den Evangelien an. Beginnen Sie mit dem Markusevangelium, und lesen Sie es vom Anfang bis zum Ende durch. Versuchen Sie, sich Jesus vorzustellen, wie er mit den Pharisäern diskutiert, wie er mit Ihnen selbst diskutiert. Stellen Sie sich die Szenen der Heilungsgeschichten vor. Sie selbst sind der Aussätzige, der sich nicht ausstehen kann, der unfähig ist, sich selbst anzunehmen und sich daher von andern abgelehnt fühlt. Sie selbst sind der Gelähmte: Angst lähmt, blockiert, hemmt Sie, aus sich herauszugehen. Sie sind der Blinde: Sie haben Ihre Augen vor sich selbst verschlossen. Und dann stellen Sie sich vor, was Jesus mit dem Kranken damals macht und was er Ihnen heute sagen und wie er Sie heute berühren möchte. Es geht immer um Gleichzeitigkeit, nie um das Bedenken eines längst vergangenen Textes. Heute soll an uns geschehen, was damals mit den Menschen geschehen ist. Lukas sagt das deutlich, wenn er siebenmal vom «heute» spricht. Dem Zachäus, dem Oberzöllner, der voller Minderwertigkeitskomplexe ist und daher andere klein machen und seinen Wert durch seinen Reichtum beweisen muss, sagt er: «Heute muss ich in deinem Haus bleiben» (Lk 19,5). Heute will Jesusbei uns zu Gast sein. Wenn wir Jesus in unser Haus einlassen, dann werden wir jetzt die Zusage Jesu vernehmen: «Heute ist diesem Haus Heil widerfahren» (Lk 19,9).
    Das Ziel des Bibellesens ist, dass wir heil werden und ganz, dass unsere Wunden geheilt werden, dass wir uns aussöhnen können mit unserem Leben und unsere Augen öffnen für den Gott, den Jesus uns verkündet hat, ganz anders als die Schriftgelehrten. Dann lesen wir die Bibel richtig, wenn für uns die Bemerkung des Markus zutrifft: «Da staunten sie über seine Lehre, denn er lehrte sie wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten» (Mk 1,22). Sie können die Bibel nicht lesen, indem Sie sich ruhig zurücklehnen. Sie müssen sich auf sie einlassen, sich von ihr provozieren lassen. Dann werden Ihnen die Augen aufgehen, und Sie werden sich selbst und Gott neu entdecken.
    Es ist aber auch gut, die Bibel in Gemeinschaft zu lesen . Dabei geht es nicht darum, sein Bibelwissen auszubreiten. Vielmehr soll jeder sagen, was ihn berührt und anspricht und welche Assoziationen in ihm aufsteigen. Die vielen Augen werden den Bibeltext von verschiedenen Seiten aus betrachten und Neues ans Licht bringen. Die Sichtweisen der andern regen mich an, selbst Neues im Text zu entdecken. Gemeinsam erzeugen wir dann eine
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