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Die Bibel Verstehen

Die Bibel Verstehen

Titel: Die Bibel Verstehen
Autoren: Anselm Gruen
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Atmosphäre des Berührtwerdens. Auf einmal erschließt sich der Text. Und wir erfahren uns als von Gott Angesprochene und Aufgerichtete, als von Gott Geliebte und Geheilte.
     
    Was sind Ihre Lieblingsstellen in der Bibel?
    Wenn Sie diese Worte in sich einlassen, was bewirken sie?
    Welche Bibel stellen ärgern Sie?
    Warum steigt da Ärger hoch?
    Was möchten gerade diese ärgerlichen Stellen in Ihnen verändern?
    Wie sollten sich Ihr Gottesbild und Ihr Selbstbild wandeln, damit sie diesem Wort der Bibel entsprechen?
     
    Es gibt in der Theologie zwei Richtungen, die sich mit der Auslegung der Texte befassen. Das eine ist die Exegese . Sie studiert die Texte und das historische Umfeld. Sie liefert uns viele Informationen, die uns helfen können, den Text zu verstehen. Die andere Richtung nennt man Hermeneutik . Es ist die Lehre von der Auslegung. Sie ist eigentlich eine philosophische Disziplin. Schon die alten Griechen haben sich mit der Frage beschäftigt, wie man überlieferte alte Texte auslegen könne. Und sie kommen zum Ergebnis: Einen Text auslegen heißt: sein eigenes Leben deuten. Es geht nicht darum, sich zu überlegen, was der Autor sich beim Abfassen des Textes genau gedacht habe. Vielmehr steht mir der Text heute gegenüber. Und es geht darum, mein Leben im Licht des Textes neu zu verstehen:
    Jeder biblische Text hat ein ganz bestimmtes Verständnis vom Menschen, von Gott und von der Welt. Wenn ich einen Text lese, gehe ich mit der persönlichen Sicht meiner selbst und meiner Welt an den Text heran. Der große deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer spricht von Horizontverschmelzung bei der Auslegung eines Textes. Wenn ich einen Text lese und ihn zu verstehen suche, dann verschmilzt der Horizont meines Selbstverständnisses mit dem Horizont, den der Text mir über mich, über Gott und über die Welt eröffnet.
     
    Den Text verstehen heißt immer auch, sich selbst besser zu verstehen.
    Verstehen heißt immer auch: einen neuen Stand bekommen, sich klarer werden über sich selbst und den Mut finden, zu sich selbst zu stehen.
     
    Es geht nicht darum, beim Bibellesen alle historischen Fakten zu studieren oder sich genau in die Theologie des jeweiligen Autors hineinzudenken. Vielmehr geht es darum, den Text im Licht des eigenen Lebens zu lesen und sich zu fragen: Was bedeuten diese Worte für mich? Was bringen sie in mir in Bewegung? Wo berühren sie mich? Was stellen sie in meinem Selbstverständnis in Frage? Wo eröffnen sie mir einen neuen Horizont? Ich führe einen Dialog mit dem Text. Im Gespräch mit dem Text geht mir auf, wer ich bin und wie ich mein Leben verstehen soll. Und oft genug entdecke ich, wo ich mein Leben ändern muss, weil ich mich innerlich verrannt habe.
    Bei der Auslegung kann es helfen, die Bildhaftigkeit der biblischen Sprache ernst zu nehmen. Jede Sprache ist in ihrem Wesen Ausdruck einer Erfahrung. Die Sprache der Bibel drückt in Bildern die Erfahrungen aus, die Menschen mit Gott und mit Jesus Christus gemacht haben. Daher ist es wichtig, dass wir beim Lesen die Worte der Bibel als Bilder anschauen.
     
    Bilder öffnen ein Fenster, durch das wir auf das Geheimnis unseres Lebens und auf das Geheimnis Gottes schauen dürfen.
     
    Wenn wir die biblischen Worte als Bilder nehmen, erliegen wir nicht der Gefahr, zu streiten, wer nun mit seiner Auslegung Recht habe. Es geht nicht um Rechthaben, sondern um die Begegnung mit dem Gott, der in den Worten der Bibel zu uns spricht und uns in den biblischen Bildern aufleuchtet, um unser Leben zu erhellen. Wir brauchen dann keine Angst zu haben, wir würden nicht genügend über die biblische Theologie Bescheid wissen. Die Bilder laden uns ein, durch sie hindurch auf Gott zu schauen, der uns zeigen möchte, wer wir eigentlich sind und wie unser Leben gelingen kann.

Die «Lectio divina»
     
    Schon die frühe Kirche hat sich darüber Gedanken gemacht, wie wir die Bibel lesen und meditieren sollen. Origenes hat die sogenannte spirituelle oder mystische Schriftauslegung entwickelt. Sie lässt sich nicht von der Frage leiten: «Was soll ich tun?», sondern vielmehr von der Frage: «Wer bin ich?» Alle biblischen Texte werden als Bilder verstanden, die mir das Geheimnis meines Weges zu Gott erschließen wollen. Sie zeigen mir, wie ich vor meinem Gott stehe und welche Schritte ich tun soll, um diesem Gott näher zu kommen.
    Auf dem Hintergrund dieser spirituellen Schriftauslegung haben die Mönche schon im vierten Jahrhundert die sogenannte lectio
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