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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau
Autoren: Martina Kempff
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Desiderata, die Tochter des Langobardenkönigs, zur Königin des Frankenlandes machte. Mit größtem Vergnügen hatte er nach einjähriger Ehe auch diese Gemahlin verstoßen und die liebreizende Hildegard geheiratet. Die war bei der Eheschließung zwar erst dreizehn Jahre alt, ihm aber bis zu ihrem frühen Tod vor zwei Jahren eine fürsorgliche Gefährtin gewesen. Manchmal überlegte er, ob das Gebären von neun Kindern in zehn Jahren sie erschöpft haben mochte, aber solche Gedanken verbannte er schnell. Es war schließlich Gottes Wille gewesen, daß diese Kinder geboren wurden – von denen ihm jetzt noch sechs verblieben waren –, und auch Gottes Ratschluß, seine junge Frau so früh zu sich zu nehmen. Ein ungutes Gefühl blieb dennoch, und deshalb hielt er es für ratsam, Fastrada, die er kurz nach Hildegards Tod geheiratet hatte, nicht jede Nacht beizuwohnen, sondern sich auch anderer Frauen – vor allem der liebenswürdigen, sanften Alemannin Liutgard – zu bedienen. Während der Ehe mit Hildegard hatte er nur dann fremde Betten aufgesucht, wenn seine Gemahlin unpäßlich oder hochschwanger war. Und natürlich, wenn ihn seine Pflichten für einige Zeit von ihr getrennt hielten. Dies war nicht oft vorgekommen, da ihn Hildegard, wann immer möglich, überallhin begleitet hatte.
    Als ihm Fastrada, die Grafentochter aus Ostfranken, zum ersten Mal begegnet war, wußte er nicht, ob er sie nun berückend schön oder ausnehmend häßlich finden sollte. Augen, Nase und Mund schienen zu groß zu sein, verliehen aber ihrem langen Gesicht mit den hohen Wangenknochen eine unerhört sinnliche Ausstrahlung. Ihre Haut war fast so dunkel wie die einer Sklavin aus dem Morgenlande, aber sie fühlte sich wie feinste Seide an. Karl liebte füllige Frauenkörper. Fastrada aber war fast so mager wie seine verabscheute zweite Gemahlin Desiderata. Doch noch nie – nicht einmal bei Hildegard – hatten ihn die Bewegungen eines Frauenleibs so erregt. Stundenlang konnte er zusehen, wenn sie mit leicht schwingenden Hüften am Webstuhl stand und die Schiffchen hin- und herrückte, wenn sie durch einen Saal schritt, an einer Phiole roch oder einfach nur in aufreizender Langsamkeit die Arme hob, um sich eines Übergewandes zu entledigen. Solche Gesten schnitten ihm fast den Atem ab, und da kam der Gedanke, ob diese Frau nun schön oder häßlich sei, nicht mehr auf. Hildegard hatte ihm nahezu immer zugestimmt und war in allen Dingen willfährig gewesen. Fastrada überraschte ihn immer wieder mit Ansichten, die ihm einen anderen, aber durchaus reizvollen Blick auf die Welt gewährten. Sie interessierte sich für Politik und Macht, hatte ihren eigenen Kopf, und sie setzte ihn durch. So hatte sie auch die Aufmerksamkeit des Frankenkönigs auf sich gezogen.
    Als er sich nämlich zwei Sommer zuvor mit den Sachsen eine offene Feldschlacht geliefert hatte, waren aus den Wäldern plötzlich blonde barbusige Frauen der Gegner gestürzt. Sie rannten auf die Franken los und feuerten die eigenen Männer an. Fassungslos wich die fränkische Schar zurück. Fastrada, die ihren Vater Graf Radulf begleitet hatte, riß sich daraufhin ebenfalls das Tuch vom Oberkörper, forderte die anderen Frankenfrauen auf, es ihr nachzutun, sich mit ihr halb nackt in die Schlacht zu werfen und die eigenen Krieger anzuspornen. Das brachte die Wendung und den Franken den Sieg.
    Als Karl der mutigen Frau seine Anerkennung aussprechen wollte, ließ sie ihm mitteilen, daß sie nach diesem Vorfall keinem Mann mehr vor die Augen treten könne. Sie habe sich für das Klosterleben entschieden, denn der Sieg der Franken sei auch ein Sieg über ihre Ehre gewesen. Karl, der sein Gesicht immer gern in üppigen Brüsten vergrub, begann sich unbändig nach diesem kleinen Busen mit den steilen dunklen Warzen zu sehnen, der mitten im Kampfgetümmel am Fluß Hase vor ihm aufgetaucht war. Da er dieses Verlangen bei anderen Frauen nicht zu stillen vermochte und zudem eine Mutter für seine sieben Kinder benötigte, machte er ihr ein Angebot, das sie nicht ausschlagen konnte.
    Inzwischen aber nagten in ihm Zweifel, ob es vernünftig gewesen war, dieser Frau die Krone aufzusetzen. Er wußte, daß ihn bei seiner Entscheidung nicht der Verstand geleitet hatte. Nicht einmal das Herz, wie er sich später betroffen eingestand, sondern ausschließlich eine noch nie zuvor gespürte Begierde nach einem ganz bestimmten Frauenkörper. Den mußte er besitzen, doch Fastrada war nur als Königin
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