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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau
Autoren: Martina Kempff
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eigenen Mutter eine der Ihren gesehen, was ihnen die Zuwendung zum Gott ihres Sohnes erheblich erleichterte.
    »Meine Mutter ist weder zeit ihres Lebens noch nach ihrem Tod durch die Lüfte geflogen, und sie hat weder Menschen verhext noch Einfluß auf das Wetter ausgeübt – sie hatte nur zwei unterschiedlich große Füße, eine reiche Kenntnis über das Wesen der Menschen, gelegentlich ein gutes Gespür für das, was die Zukunft bringen würde, und sie kannte sich mit dem Heilen aus. Doch wie jeder andere christliche Sterbliche hat auch sie sich oft geirrt und nie an Gott gezweifelt«, sagte er, wenn ihm solche Gerüchte zu Ohren kamen.
    Drei Jahre zuvor, kurz nach Hildegards Tod, war Bertrada schwer erkrankt. Ihr alter getreuer Referendarius Martinus Teles hatte sie aus ihrem heimatlichen Prüm nach Choissy nahe der Pfalz Compiègne gebracht, damit sich Mutter und Sohn vor ihrem Tod miteinander aussöhnen konnten. Karl unterbrach seinen Feldzug nach Sachsen und harrte mit seiner Schwester Gisela, die aus dem Kloster Chelles ans Sterbelager der Mutter geeilt war, bis zu Bertradas letztem Atemzug an ihrem Lager aus. Seine Hoffnung, daß sie ihm an ihrem Lebensende endlich das Geheimnis um seine Geburt und die Eheschließung mit seinem Vater Pippin verraten würde, erfüllte sich nicht. Bis zum heutigen Tag lagen die Gegebenheiten seiner eigenen Entstehungsgeschichte für ihn im dunkeln. Der im vergangenen Jahr verstorbene Abt Fulrad hatte sich über die Einzelheiten stets in Schweigen gehüllt, und Bertradas Vertrauter Teles hatte immer behauptet, nichts Näheres zu wissen, da er erst später in die Dienste der Königin getreten sei. Auch über seine eigene Vergangenheit ließ Teles nur verlauten, daß er gebürtiger Athener sei, den es einst ins Frankenland verschlagen habe.
    Karl nahm an, daß es an den beiden Orten, an denen er selbst seine früheste Kindheit verbracht hatte, nämlich in Prüm und Mürlenbach, noch irgend jemanden geben mußte, der das Geheimnis um seine Eltern lüften konnte. Doch das hartnäckige Schweigen seiner Mutter und Abt Fulrads sowie die nicht verstummen wollenden Behauptungen, daß er vor der Eheschließung seiner Eltern geboren worden sei, sowie die Gerüchte, die seine Mutter mit heidnischen Gottheiten und Bräuchen in Verbindung brachten, ließen es ihn für ratsam halten, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Es war besser, die Büchse der Pandora geschlossen zu halten.
    Karl herrschte über das gesamte Frankenreich, und Gott selbst hatte durch seinen Stellvertreter in Rom die Welt wissen lassen, ausschließlich den Nachfahren Pippins und Bertradas stehe dieses Königtum zu. Das sollte alle Gerüchte zum Verstummen bringen. Auch sollten sich spätere Geschichtsschreiber unbekümmert über die Kindheit seiner eigenen Nachfahren auslassen können, und schon deshalb hatte sich deren Stiefmutter gefälligst um ihr Wohl zu kümmern.
    Dies zu sagen, war Karl in das Gemach seiner Gemahlin gekommen. Er wollte sie auffordern, die Betreuung seiner anderen Kinder nicht mehr ausschließlich dem Hofstaat zu überlassen. Der fünfzehnjährige bucklige Pippin weilte allerdings nicht mehr am Königshof, sondern war zu Verwandten nach Regensburg abgeschoben worden. Karl hatte nachträglich die Ehe mit Pippins Mutter Himiltrud für ungültig erklärt und somit seinen Erstgeborenen offiziell von der Thronfolge ausgeschlossen. Und ihn zusätzlich noch damit brüskiert, daß er vor vier Jahren einem weiteren Sohn den gleichen Namen verliehen hatte. Papst Hadrian hatte den damals Vierjährigen höchstselbst vom Namen Karlmann befreit, ihn in Pippin umgetauft und zum König von Italien gesalbt. »Der Name Karlmann hat noch keinem seiner Träger Glück gebracht«, hatte er damals Hildegard zugeraunt.
    Dieser Pippin wie auch seine kluge zehnjährige Schwester Rotrud, der ängstliche siebenjährige Ludwig, König von Aquitanien, die vorwitzige sechsjährige Berta und die vierjährige Gisela brauchten dringend eine fürsorgliche Mutter. Um seinen Lieblingssohn, den dreizehnjährigen Karl, kümmerten sich jetzt hauptsächlich die Gelehrten und arbeiteten ihn in Reichsangelegenheiten ein, doch alle anderen Kinder sollten unter der liebenden Obhut seiner Gemahlin stehen.
    Fastrada fächelte sich Rauch zu, der aus einer Schale aufstieg und schwüle Gerüche verbreitete.
    »Die Kinder verstören mich. Sie sind zu laut. Ich benötige Ruhe«, hauchte sie, führte langsam eine Hand an ihre Stirn und ließ sich in die
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