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Die besten Freunde der Welt: Fritz und Ben (German Edition)

Die besten Freunde der Welt: Fritz und Ben (German Edition)

Titel: Die besten Freunde der Welt: Fritz und Ben (German Edition)
Autoren: Ute Wegmann
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konnte schon schwimmen, als er geboren wurde, weil er bei seinen Großeltern in Istanbul aufgewachsen ist. Direkt am Bosporus. So heißt das Wasser dort, hat mir mein Vater erklärt. Morgens vor dem Frühstück, als wir in unserer Stadt auf graue Häuserwände starrten, ist Ali schon zwischen Fährschiffen hin- und hergekrault. Sagt er. Manchmal habe ich das Gefühl, dass er bei seinen Geschichten übertreibt.
    Mein Vater meint, die Türken und Araber sind Weltmeister im Geschichtenerfinden. Sie haben auch die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht erfunden.
    Tausendundeine Nacht darf ich lesen, wenn ich älter bin, sagt meine Mutter. Keine Ahnung, warum! Schließlich kommen da Könige und Prinzen und Damen und jede Menge Tiere drin vor. Allerdings auch abgeschnittene Ohren, das habe ich im Internet gelesen. Wahrscheinlich zu brutal, die ganze Sache.
    Nellys Eltern haben einen Pool. Sie kann an warmen Sommertagen zu Hause schwimmen. Sooft sie Lust hat.
    »Wer das Seepferdchen schon hat, kann Bronze machen«, sagt Frau Specht und klopft mit einem Stift auf das Pult, damit wieder Ruhe einkehrt. Das macht sie immer. Das liegt am Namen. Bronze hab ich auch schon.
    Während ich zuhöre, sackt Ben noch eine Etage tiefer unter den Tisch.
    »Bronze heißt fünfzehn Minuten schwimmen«, fährt der Klopf-Specht fort.
    »Am Stück?«, ruft ein Mädchen entsetzt. »Ohne Pause?«

    »Ohne Pause!«, antwortet Spechti. »Aber das ist noch nicht alles: Ihr müsst einen Tauchring aus zwei Meter Tiefe holen und einen Sprung vom Ein-Meter-Brett machen.«
    Ben ist blass wie der Schmierkäse auf meinem Brötchen.
    »Ben«, sage ich, »sei doch nicht blass. Du musst das doch alles nicht machen.«
    »Aber das ist doch der Mist.« Ben hebt den Kopf. »Ich würde es aber total gerne. Ich will nicht vier Wochen auf der Bank sitzen und euch zugucken. Ich will auch so ein Abzeichen haben.«
    Als ich Bens traurigen Blick sehe, tut er mir leid. Total leid. Und ich weiß, dass ich ihm helfen muss. Aber wie bloß?
    »Kannst du nicht Paul Klee oder Picasso schon mal beim Schwimmen beobachten?« Ich gebe mein Bestes, um Ben zu trösten.
    »Klee oder Picasso? Ach, Fritz, halt die Klappe. Willst du mich verarschen? Oder hab ich ’ne Schwanzflosse?«
    Betreten schaue ich auf meinen Tisch. Ich wollte ihn doch trösten und nicht ärgern. Ben ist echt empfindlich.

    Frau Specht beendet ihre Stunde, indem sie einen Text diktiert, den wir unseren Eltern zum Unterschreiben vorlegen sollen. In dem Text tauchen Wörter auf, die ich vorher noch nicht oft geschrieben habe: Seepferdchen, Badehose, Pokal, Schwimmwettbewerb, Handtuch, Duschgel, Kamm, Badehaube.
    Der letzte Satz lautet: »Hiermit erkläre ich mich einverstanden, dass mein Kind«   – jetzt müssen wir einen langen Strich machen   – »in der Zeit von Anfang Juni bis Mitte Juli am Schwimmunterricht teilnimmt. Wenn mein Kind ein Abzeichen macht, trage ich dafür die Kosten. Unterschrift.« Und wieder folgt ein langer Strich.
    Im Klassenzimmer ist es während des Diktats extrem leise. Nur hin und wieder klopft die Lehrerin mit dem Stift gedankenverloren auf den Tisch. Poch! Poch! Wir konzentrieren uns auf die schwierigen Wörter. Ben hat alles mitgeschrieben. Schwierige Wörter sind für ihn kein Problem.
    »Das ist schön, Ben, dass du alles mitgeschrieben hast«, sagt Frau Specht, die neben unserem Tisch stehen bleibt. »Es reicht, wenn deine Mutter einmal einen Brief schreibt. Ich brauche diesmal keine Unterschrift.«
    Ben nickt und schaut nicht hoch. Er starrt auf sein Blatt mit dem Text. Ich spüre, dass er wütend ist, aber ich kann ihn jetzt nicht fragen, warum und auf was. Frau Specht ist eigentlich ziemlich nett zu ihm. Als sie weitergeht, beuge ich mich nach vorn.
    »Was ist?«
    »Ich bin schweinewütend.«
    »Das sehe ich. Auf wen?«
    »Auf meine Mutter.«
    »Warum?«
    »Weil ich nicht schwimmen kann.«
    »Dann musst du doch auf dich wütend sein«, antworte ich.
    »Fritz, wenn sie es nicht verboten hätte, dann   …«
    »…   dann musst du es eben jetzt lernen«, unterbreche ich ihn.
    »In einer Woche, oder wie?«
    »Genau. In einer Woche oder in zwei oder drei. Egal. Auf jeden Fall in den nächsten fünf.«
    »Und wie?«
    »Mir fällt schon was ein!«
     
    Als ich an diesem Tag nach Hause gehe, denke ich: Diese Freundschaft fordert alles von mir. Vor allem Geduld. Und das ist gar nicht meine Stärke.

Eiswürfel und Zitrone und Pfandgeld
     
    Unsere Schultaschen wiegen hundert
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