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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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70jährige Frau und ein 59 Jahre alter Mann, starben nach einer Woche.
    Eine Woche nach Fertigstellung der kleinen Station Dr. Jens Hansens kam Franz Wottke zu ihm. Er sah zerfallen aus, mit tiefen Schatten unter den Augen. Der stämmige Mann, der sich einmal rühmte, ein Eisenformstück von zwei Zentnern herumzutragen, gab Dr. Hansen die Hand, als habe der Arm keine Muskeln mehr.
    Er setzte mit zitternden Lippen zum Sprechen an; Hansen schüttelte den Kopf und legte ihm die Hand auf die Schultern.
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen. Und ich kann verstehen, wenn Ihre Welt zusammenbricht …«
    »Meine Erna …«, flüsterte Wottke. Er legte den Kopf auf die Schreibtischkante Hansens und schluchzte. »Sie … Sie kennen sie nicht wieder …« Er sah mit tränennassem Gesicht auf. »Ich habe doch alles getan Doktor«, stammelte er. »Ich habe sie zweiter Klasse gelegt, ich habe zehntausend Mark beschafft, damit sie ins Sanatorium gehen kann, ich habe doch alles, alles für sie getan … Und nun … Die ganze linke Brustseite ist voller Knoten … laufen kann sie nur ganz langsam. Manchmal fällt sie um … hat einfach keine Kraft mehr, zu stehen. Und dann lacht sie manchmal … mitten drin im Gespräch, ohne Grund, Herr Doktor … sie lacht … Das ist so schrecklich …«
    Franz Wottke ergriff Hansens Hand. Dieser zuckte unwillkürlich zusammen. Die Finger Wottkes waren kalt.
    »Was kann man mit Erna noch machen, Herr Doktor? Geben Sie mir doch einen Rat … Wissen Sie nicht, wo man sie heilen kann … wo man den Krebs aufhalten kann … wo sie länger leben bleibt … Herr Doktor … ich habe noch siebentausend Mark auf der Kasse! Ich kann es bezahlen … und wenn es mehr kostet … ich verkaufe das Haus. Ich tu alles für Erna … Herr Doktor, bitte –«
    Dr. Hansen stand am Fenster und blickte hinüber zu dem renovierten Bauernhaus mit seinen vier Betten. Hat es noch Sinn, dachte er. Haben wir noch eine Chance? Kann ich die Frau retten?
    Dr. Hansen drehte sich um. »Bringen Sie Ihre Frau zu mir. Wenn wir eine Chance sehen … ich verspreche es Ihnen: Wir nehmen sie wahr. Mehr Hoffnung kann ich Ihnen nicht machen.«
    Am Abend zog Erna Wottke in das Bauernhaus ein. In Zimmer eins. Franz Wottke stützte sie beim Gehen. Ihr einst rundes, frisches Gesicht mit den Grübchen war graugelb und faltig. Nur die Augen waren noch größer geworden, starrer – aus dem lebendigen Glanz war eine glänzende Leere geworden.
    »Kann ich bei ihr bleiben?« flüsterte Wottke, als sie sich ausziehen ließ.
    Die ganze Nacht saß Franz Wottke am Bett seiner Frau und hielt ihre Hand.
    »Er macht dich gesund«, sagte er. »Du wirst sehen … er macht dich gesund. Wir wollen doch im nächsten Sommer an die See, Erna …«
    »Er hat diese Wahnidee also doch wahrgemacht.«
    Oberarzt Dr. Färber saß im Liegestuhl unter dem Sonnenschirm und las die Nachmittagspost. Eine Bitte von Dr. Hansen, die Krankengeschichte Erna Wottkes zu schicken, war dabei.
    »Welche Wahnidee?«
    Herta Färber legte den Roman zur Seite. Sie dehnte sich und zog den Träger ihres goldfarbenen Badeanzuges zurecht.
    »Dr. Hansen – du erinnerst dich, er war kürzlich hier – hat eine ›Privatklinik‹ aufgemacht.« Färber genoß das Wort ›Privatklinik‹. Er ließ es auf der Zunge zergehen. »Mit sage und schreibe vier Betten!«
    »Und das regt dich auf?« Herta Färber dehnte sich wieder. Die Sonne brannte. Herta Färber hob das linke Bein und streckte es der Sonne entgegen. Ein langes, schlankes Bein mit schmalen Fesseln. Hubert Färber blinzelte über den Rand der Sonnenbrille zu ihr hinüber. Aber er dachte dabei an sein letztes Gespräch mit Dr. Hansen.
    »Er hat Frau Wottke zu sich genommen.«
    »Wer ist Frau Wottke?«
    »Ein aussichtsloser Krebsfall. Ich habe sie operiert, aber es war schon zu spät.«
    »Na und? Du hast viele operiert, bei denen es zu spät war. Warum regst du dich gerade bei dieser Frau auf? Wird sie sterben?«
    »Ich gebe ihr höchstens drei Monate.«
    »Daran wird auch dieser Hansen nichts ändern …«
    Weit zurückgelehnt lag sie im Liegestuhl, die Beine der Sonne entgegengestreckt. Hubert Färber legte seine Hände auf ihre Füße und drückte die Beine herunter. Ihn irritierte die nackte, ölglänzende Schönheit.
    »Ich werde das Gefühl nicht los, daß dieser Hansen ein Fanatiker ist. Fanatiker aber sind gefährlich. Sie bringen die breite Masse hinter sich. Beim Krebs bedeutet das eine Katastrophe …«
    »Auch für dich?« Herta
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