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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin
Autoren: Andreas Franz
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überdimensionalen Halle, in deren Zentrum sich ein großflächiges, quadratisches Wasserbecken mit einem polierten Marmorrand befand, das nur wenige Zentimeter tief war, mit einem Springbrunnen in der Mitte, doch kaum einer warf auch nur einen Blick auf das in sanften Fontänen aus den Düsen gestoßene Wasser.
    Er meldete sich an, der Pförtner, ein älterer Mann mit ausdruckslosen Augen in einem leeren, zerknautschten Bulldoggengesicht, die fette Gestalt in eine dunkelblaue Uniform gezwängt, füllte mit ungelenken Fingern einen Zettel aus mit seinem Namen und der Uhrzeit seines Kommens, dann schickte er ihn in den dreizehnten Stock. Mit einem mulmigen Gefühl betrat er den Aufzug, eine angeborene Klaustrophobie hatte ihn stets einen großen Bogen um Aufzüge und große Menschenansammlungen machen lassen. Mit ihm in der Kabine befand sich eine junge Frau mit schulterlangem, blondem Haar; sie hatte zwar kein sonderlich hübsches Gesicht, doch ihre Kleidung und Ausstrahlung und der sie umgebende Duft verliehen ihr etwas ungemein Erotisches. Klaustrophobie hin, Klaustrophobie her – in seine Phantasie schmuggelte sich für Sekunden der frivole Gedanke –
ein purer Traum
–, der Aufzug könnte irgendwo zwischen den Stockwerken hängenbleiben und ihm die Gelegenheit geben, es mit diesem Wesen zu treiben. Der Lift glitt fast geräuschlos nach oben, womöglich war dieser dreizehnte Stock ein schlechtes Omen. Zweimal verlief er sich im Labyrinth der weitverzweigten Gänge, bevor er seine Richtstätte mit fünfminütiger Verspätung erreichte. Er klopfte an die Tür mit dem Namensschild Dr. N. Vabochon, ein leises »Herein«.
    Er öffnete so lautlos wie möglich die Tür, steckte den Kopf durch den Spalt und blickte auf eine Frau, die allein in einem großen, hellen Zimmer saß. Eine unscheinbare Person in einem unscheinbaren Kostüm, die mit unscheinbaren Bewegungenhinter ihrem für sein Gefühl viel zu wuchtigen Schreibtisch hervorgekrochen kam. Ihre schmalen, blassen Lippen lächelten leicht verkniffen, die dunkle Hornbrille verlieh ihrem Gesicht etwas schulmeisterlich Strenges. Sie war weiß Gott nicht der Typ Frau, den er sich in einer solchen Position in einem solchen Hause vorgestellt hatte. Auch sonst hätte er kaum mehr als einen flüchtigen Blick an sie verschwendet, dieses genaue Gegenteil der duftenden Fee aus dem Aufzug. Er war in keiner Weise auf den sich ihm bietenden Anblick vorbereitet; erfolgreiche Frauen hatte er sich stets groß, attraktiv, in teures Tuch gehüllt und von einer Wolke Chanel No. 5 umgeben vorgestellt. Dazu ein liebenswürdiges, aufmunterndes Lächeln als Fassade für eiskalte Berechnung. Nichts von dem erwartete ihn hier. Es roch nach Büro und sonst nichts, ihr graues Kostüm erinnerte auf fast groteske Weise an Grenzbeamtinnen ehemals sozialistischer Länder (denen ja auch ein Hang zum Sadismus nachgesagt wurde), und großgewachsen war die Frau auch nicht. Und statt Blumen auf dem Schreibtisch verkümmerte lediglich ein traurig herabhängender Efeu mit vielen gelben Blättern auf der Fensterbank.
    Er ging auf die Frau zu, sie trafen sich genau in der Mitte des Raumes, sie streckte ihre Hand aus, er nannte artig seinen Namen. Ihr Händedruck war schlaff, kaum spürbar. Für einen Sekundenbruchteil musterte sie ihn abschätzend aus kaltblauen Augen, doch sie kehrte sofort hinter ihren Schreibtisch zurück, deutete mit einer Hand auf den ihr gegenüber stehenden Stuhl.
    Er setzte sich gehorsam, die Knie eng beieinander, die dünne Aktentasche auf den leicht zitternden Schenkeln. Sie hatte einen Aktenordner aufgeschlagen vor sich liegen und schrieb etwas auf ein Blatt Papier, schlug dann die Akte zu, legte sie auf die Seite. Sie sah auf, die Unterarme auf die Schreibtischplatte gestützt, die Hände gefaltet.
    Sie hatte kein häßliches Gesicht, nur ihre offensichtliche Unfähigkeit,ihm Schönheit zu verleihen, ließ es matt und grau erscheinen. Das streng nach hinten gekämmte, dunkle Haar war zu einem Knoten gebunden, die Fingernägel unlackiert, kein Lippenstift, kein Rouge, kein Lidschatten, kein nichts.
    »Herr …«, sie stockte einen Moment, nahm eine andere Akte und sprach weiter, »Herr von Marquardt«, in ihrer Stimme schwang Traurigkeit, als hätte man sie gezwungen, ihm mitzuteilen, daß das bereits verhängte Todesurteil leider sofort zu vollstrecken sei und der Henker ungeduldig im Zimmer nebenan warte, »es ist nett, daß Sie vorbeigekommen sind. Sie wissen ja, weshalb
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