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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin
Autoren: Andreas Franz
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wollen ja sicherlich auch endlich eine Klärung. Würde es Ihnen heute abend passen?«
    »Heute abend?« fragte er überrascht. »Wie lange sind Sie denn im Büro?«
    »Nun, es gibt ein kleines Problem. Ich werde morgen und am Montag geschäftlich unterwegs sein … Aber ich gehe donnerstags immer zu E NRICO essen. Kennen Sie E NRICO ?«
    »Nein, aber –«
    »Gut«, unterbrach sie ihn und beschrieb den Weg dorthin, »ich erwarte Sie dann um halb acht bei E NRICO . Es tut mir leid, wenn ich Ihnen dadurch Umstände bereite, aber wie gesagt … Es genügt übrigens, wenn Sie allein kommen.«
    »Also gut, ich werde da sein«, sagte er, legte auf, fuhr sich nachdenklich über das kratzige Kinn, schüttelte verwundert den Kopf. Er stand auf, packte seine Tasche und machte sich auf den Weg nach Hause.

Donnerstag, 17.30 Uhr
    »Und, haben sie angerufen?« fragte Johanna, kaum daß er die Wohnung betreten hatte.
    »Ich soll heute abend noch hinkommen«, sagte er und wich ihrem Blick aus.
    »Heute abend?« Ihre mattgrünen Augen konnten die Überraschung nicht verbergen, sie hatte die Stirn in Falten gezogen. »Machen die extra wegen dir Überstunden?«
    Er zuckte nur mit den Schultern und sagte: »Schatz, unsere Lage ist hoffnungslos. Aber wenn es einen Weg geben sollte, der diese Hoffnungslosigkeit ein wenig erträglicher macht, dann werde ich diesen Weg gehen. Und wenn sie mich für Mitternacht nackt auf den Hauptfriedhof bestellt hätten, ich würde hingehen.«
    »Es ist aber trotzdem komisch …«
    »Komisch oder nicht, es ist eine Chance, zumindest hoffe ich das.« Etwas, eine innere Stimme, hinderte ihn, Johanna von dem ungewöhnlichen Treffpunkt zu berichten, sie wäre wahrscheinlich nur mißtrauisch geworden, aus welchen Gründen auch immer.
    »Und wie lange, schätzt du, wird es dauern?«
    »Was weiß ich, eine halbe Stunde, eine Stunde … kommt drauf an, was es alles zu besprechen gibt.«
    Er ging ins Schlafzimmer, Johanna folgte ihm. Er zog die Schuhe aus, stellte sie unters Bett. »Die machen sich eine ganz schöne Mühe mit uns, nicht?« Er grinste etwas gequält und umarmte sie. Sie roch nach Küche und Schweiß, eine Haarsträhne klebte ihr an der Stirn. Sie roch, seit sie hier wohnten und keine Putzfrau und Köchin mehr hatten, viel nach Küche und Putzen und Schweiß, ihre Haare klebten oft an ihrer Stirn, es fiel ihm nicht leicht, sie in solchen Momenten zu umarmen.
    »Wie du noch lachen kannst!« sagte sie leicht vorwurfsvoll und legte ihren verschwitzten Kopf an seine Brust. »Ich wünschte, es würde einen Knall geben und wir wären alle unsere Sorgen los. Aber auf Wunder zu warten lohnt sich wohl kaum. Wenn ich bedenke, wie es noch vor einem Jahr war …!«
    »Ich versuche, nicht mehr daran zu denken. Und du solltest es auch sein lassen. Wir sind betrogen worden, aber wir sind weiß Gott nicht die einzigen, denen so übel mitgespielt worden ist. Und vielleicht schaffen wir es ja eines Tages wieder?!«
    »Eines Tages?« sagte sie seufzend. »Wann wird dieses
›eines Tages‹
wohl sein? Es ist alles so eng geworden! Wenn ich sehe, wie andere Leute leben, und uns damit vergleiche …«
    »Johanna, bitte, jetzt hör doch endlich mit dieser alten Leier auf!« Er stieß sie weg, lehnte sich wütend gegen die Wand, die Arme über der Brust verkreuzt. Ihre unverblümten Worte verletzten ihn, dabei wußte er, sie verrieten nur, daß sie den tiefen Absturz vom Luxus ins Elend bis jetzt nicht verkraftet hatte; die Frage war, ob sie es je verkraften würde, so wie er. Dennoch fuhr er sie laut und theatralisch gestikulierend an: »Ich weiß, es ist alles meine Schuld! Ich bin der Haushaltsvorstand, ich muß die Familie ernähren, ich muß mit dem Geld klarkommen, ich hätte nicht so gutgläubig sein dürfen, ich sollte endlich zusehen, daß wir so schnell wie möglich wieder aus dieser Scheißgegend rauskommen, und, und, und …!« Er schnaufte tief durch, schloß die Augen, beruhigte sich allmählich, sagte: »Meinst du etwa, für mich ist das leicht? Meinst du etwa, ich gehe gerne heute abend zur Bank, um mir von denen ihre Vorstellungen aufzwingen zu lassen? Ich hasse dieses verfluchte Leben genauso wie du, glaube mir.«
    Sie sah ihn aus großen, erschrockenen Augen an, ein leichtes Beben zuckte um ihre Mundwinkel. »Ich weiß gar nicht, weshalb du auf einmal so eingeschnappt bist! Und so laut zuwerden brauchst du auch nicht, oder willst du unbedingt, daß die Kinder alles mitbekommen? Ich habe dir keine Schuld
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