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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin
Autoren: Andreas Franz
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ich Sie sprechen möchte?«
    »Ja, ja, sicher.« Er wischte den Schweiß in seinen Handflächen an der Hose ab. »Ich weiß. Es geht um dieses leidige Darlehen und …«
    »Nun«, unterbrach sie ihn kopfschüttelnd, legte die Hände aneinander und führte sie an die Nase, und für Sekunden blickte sie durch ihn hindurch, »es ist nicht allein das Darlehen, Herr von Marquardt, es geht leider auch um Ihr Konto … Sie wissen, wir sind Ihnen … damals … mehr auf Drängen Ihres Bekannten, großzügigerweise entgegengekommen, indem wir Ihnen sogar einen Dispositionskredit von DM dreitausend einräumten. Aber jetzt ist Ihr Konto so weit überzogen, daß wir unmöglich weitere Abhebungen zulassen können.«
    Er spürte, wie das Blut seinen Kopf verließ und sich in den Zehenspitzen sammelte. Seine Alpträume! Wie inständig hatte er gebetet, ja gefleht, sie würde nur wegen des Darlehens mit ihm sprechen wollen, nicht wegen des Kontos. Er hatte jeden Gedanken an das Konto einfach verdrängt; er wollte nichts damit zu tun haben, wollte nicht, daß davon gesprochen wurde.
    »Es tut mir leid, Herr von Marquardt«, fuhr Dr. Vabochon geschäftsmäßig kühl fort, »aber Ihr Verhalten in der letzten Zeit … vor allem die nicht eingehaltenen Zusagen … läßt uns einfach keine andere Wahl. Ich bedaure …«
    »Und wovon sollen wir leben?« stammelte er.
    »Das, Herr von Marquardt, hätten Sie sich früher überlegen müssen.«
    »Aber, ich meine, ich bin doch damals zu Ihnen gekommen und Sie haben mir …«
    »
Ich
habe überhaupt nichts.«
    »Nein, natürlich nicht Sie persönlich, aber Ihre Bank und Ihre Leute …«
    »Es ist nicht
meine
Bank, und es sind nicht
meine
Leute.«
    »Mein Gott, mir geht es doch nicht darum, daß ich mir irgendwelchen Firlefanz leisten will, bei uns geht es nur noch ums nackte Überleben! Sie wissen doch selber, was mit mir und meiner Firma passiert ist …« Er hatte Schweiß auf der Stirn, in den Handflächen, am Rücken.
    »Was geschehen ist, ist geschehen.«
    »Ich bin betrogen worden, und jetzt –«
    »Inwieweit Sie Schuld trifft, kann ich nicht sagen, ich kenne weder Ihre Firma noch Ihre Geschäftsgepflogenheiten. Doch wenn die genauso waren wie … Nun, ich glaube, ich brauche nicht deutlicher zu werden.«
    »Okay«, sagte er und versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben, »dann lassen Sie mich wenigstens erklären, wie ich in das jetzige Dilemma geraten bin.«
    »Herr von Marquardt«, unterbrach sie seinen Redefluß, »Erklärungen können Sie abgeben, so viele Sie wollen, nur«, sie schürzte die blutleeren Lippen, »sie werden Ihnen nichts nützen! Sie hätten sich früher überlegen müssen, welche Konsequenzen die Nichteinhaltung Ihrer Zusagen letzten Endes für Sie hat. Daß wir gerade bei Ihnen besonders vorsichtig sind und sein müssen, das liegt in der Natur der Sache. Und für Ihre Liquidität sind nicht
wir
zuständig.« Sie hielt kurz inne, sah ihn wieder mit undefinierbarem Blick an. »Aber lassen Sie mich doch bitte erst einmal Ihre Unterlagen sehen.«
    Mit nervösen Fingern kramte er aus seiner Tasche die Klarsichthüllehervor und reichte sie über den Tisch. Dr. Vabochon nahm sie in ihre zerbrechlich wirkenden Finger und ging, ohne eine Miene zu verziehen, Blatt für Blatt durch. Nach menschlichem Ermessen hätte sie mindestens einen halben Tag brauchen müssen, um alles zu studieren und durchzurechnen, aber diese Maschine benötigte nur anderthalb oder zwei Minuten. Sie legte die Papiere beiseite und kniff die Lippen zusammen, bis sie dünner als ein Federstrich waren.
    »Und wie stellen Sie sich das alles in Zukunft vor? Wie ich Ihren Unterlagen entnehme, verdienen Sie gerade dreitausendzweihundert netto …«
    Er lachte kurz auf, unterbrach sie: »… vor einem Jahr war das ein Trinkgeld für mich …«
    »Was vor einem Jahr war, interessiert mich nicht. Und wenn ich richtig überschlagen habe, bleiben Ihnen nach Abzug aller Ausgaben jetzt und heute gerade noch dreihundertfünfzig Mark zum Leben. Dies erscheint mir ehrlich gesagt reichlich wenig, um davon eine sechsköpfige Familie zu ernähren. Oder wie sehen Sie das?«
    »Dazu kommen noch Kindergeld und Wohngeld. Es sind in Wirklichkeit tausend Mark, die wir zur Verfügung haben.«
    »Hm, tausend Mark. Nicht gerade viel, vor allem in Frankfurt. Laut der letzten Statistik benötigt eine sechsköpfige Familie in dieser Stadt mindestens achtzehnhundert Mark für die täglichen Dinge, exklusive Miete und Strom. Wie
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