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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Tilman Röhrig
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Zelle. Oft stützte er den Kopf in die Hände und fuhr mit den Fingern durch seine strähnigen Haare. ›Mit dem Geld des Fürsten Wied hätt ich aufhören können.‹ Er dachte an seine Tochter und war traurig.
    Am 12.   Juni hörte Mathias, dass der Johann Bückler gefangen und in Frankfurt sei. »Der Schinderhannes wird in den nächsten Tagen an die Franzosen ausgeliefert«, sagte der Wärter zufrieden. »Am 15.   Juni kommt der öffentliche Ankläger von Köln zu uns nach Bergen und begleitet am nächsten Tag den Transport vom Schinderhannes nach Mainz.«
    »Anton Keil, der kommt?« Mathias erstarrte. Er war nicht angekettet. Unruhig ging er in der Zelle auf und ab. Nach einer Stunde rief er den Wärter. »Hol den Amtmann von Bergen! Ich will gestehen.«
    Mathias erklärte, einen Einbruch in Kassel begangen zu haben. Der Amtmann hörte sich das Geständnis geduldig an. »Du willst dich nur wichtig machen, Peter Groß. Ich glaube dir nicht. Du bist kein Räuber.«
    Mathias sagte heiser: »Ich muss vor ein hessisches Gericht. Ich habe in Kassel fünftausend Taler gestohlen.«
    Der Amtmann lachte. »Du hast noch nie fünftausend Taler gesehen. Du bist nur ein kleiner Landstreicher. Für dich hängen die Geldsäcke zu hoch.«
    Mathias fluchte. »Ich war in Kassel!«
    Der Amtmann spottete: »Ich werde dich in zwei Tagen dem Kölner öffentlichen Ankläger vorführen. Der wird dich auslachen.«
    Mathias schwieg. Er starrte zur Wand und ballte die Fäuste.
    Anton Keil und sein Sekretär hatten Anfang Juni die lange vorbereitete Rundreise durch die Grenzstädte angetreten. Sie waren wieder mit einer schwarzen Kutsche ohne Wappen und Initialen von Köln abgefahren. Bei der Überprüfung der Räuberschlupfwinkel in Deutz, Andernach und Neuwied hatten sie keinen der Gesuchten gefunden. Als Erste waren der Wirt Belz und die Witwe Baums in ihren Herbergen verhaftet und sofort nach Köln überfuhrt worden. »Ich will sie nicht anklagen«, hatte Anton Keil seinem Sekretär erklärt. »Aber ich werde sie monatelang nach ihren Gästen ausfragen.«
    In den Gefängnissen von Koblenz und Frankfurt waren dem Kölner öffentlichen Ankläger zwei der aus Wesel entflohenen Räuber vorgeführt worden. Sie verbüßten hier unter falschen Namen eine kleine Strafe wegen Landstreicherei. Auch sie hatte er unter schwerer Bewachung nach Köln bringen lassen.
    Am 12.   Juni stattete er mit seinem Sekretär dem kleinen Ort Eckardroth einen Besuch ab. Er ließ sich von dem neu ernannten Amtmann die verlassene Ziegelei auf der Waldlichtung zeigen. Am frühen Nachmittag des nächsten Tages erreichte ihn dann die Nachricht von der Gefangennahme des berüchtigten Schinderhannes und seiner Freunde in Frankfurt. »Das wird unser erster großer Fang!«, lachte Diepenbach stolz.
    »Vorher werden wir noch die Gefangenen in Bergen überprüfen«, bestimmte Anton Keil.

15.–16.   Juni 1802
    Am 15.   Juni betrat der öffentliche Ankläger das Büro des Amtmanns von Bergen. Er wurde mit großer Hochachtung begrüßt.
    »Führen Sie mir alle Häftlinge vor!«
    Der Amtmann lächelte und sagte entschuldigend: »In unserem Turm sitzen nur Landstreicher und kleine Diebe. Wir werden diesen Kerlen hier in Bergen schnell den Prozess machen.«
    Anton Keil winkte ungeduldig ab. »Ich werde mich selbst überzeugen.«
    Der Wärter schloss die Zellentür auf. Hinter ihm standen zwei Soldaten der Wache. Er winkte Mathias. »Komm, der öffentliche Ankläger will dich sehen!« Sie legten ihm an Händen und Füßen Ketten an. Er konnte gehen, aber nicht fliehen. Die schweren Eisenglieder klirrten bei jedem Schritt über den Steinboden. Die Wachsoldaten stießen den Gefangenen in das Zimmer. Mathias sah mit halb geschlossenen Lidern auf den grau gekleideten Mann.
    »Ich bin Anton Keil, der öffentliche Ankläger von Köln.« Er sah den Häftling lange an. Mathias erwiderte den Blick, ohne die Augen zu bewegen.
    »Wie heißt du?«
    »Peter Groß.«
    »Du willst fünftausend Taler in Kassel gestohlen haben?«
    Mathias schüttelte den Kopf »Ich hab nie einen Überfall gemacht. Ich bin ein Landstreicher.«
    Der schlanke öffentliche Ankläger stand auf und stellte sich direkt vor ihn. Mathias hob das Gesicht und starrte weiter in die harten Augen. »Du bist der Fetzer!«
    Mathias bewegte sich nicht. »Wer ist der Fetzer?«
    Zu Diepenbach sagte Anton Keil: »Gib mir die Beschreibung des Mathias Weber!« Der Sekretär zog ein eng beschriebenes Blatt aus einer Mappe. Der
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