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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky
Autoren: Ally Condie
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hingebracht?
    Sie konnten ihre Namen nicht schreiben, aber ich kann meinen Namen schreiben, und ich werde es wieder tun, irgendwo, wo er lange, lange stehenbleiben wird. Ich werde Ky finden, und dann werde ich den Ort dafür finden.

    Als wir endlich im Langstreckenzug sitzen, schlafen meine Mutter und Bram beide ein, erschöpft von der Aufregung und den Anstrengungen der Reise.
    Inmitten all der seltsamen Ereignisse erscheint es mir bizarr, dass ausgerechnet der Gehorsam meiner Mutter unsere Umsiedlung
     notwendig gemacht hat. Sie wusste zu viel und hat es in ihrem Bericht zugegeben. Sie konnte nicht anders.
    Die Fahrt ist lang, und außer uns sind noch andere Reisende unterwegs. Allerdings keine Soldaten wie Ky. Die werden in Sonderzügen transportiert. Aber ich sehe andere müde Familien, die uns gleichen, und eine Gruppe von Singles, die lachen und sich aufgeregt über ihre Berufe unterhalten. Im letzten Waggon sitzen einige junge Mädchen in meinem Alter, die für ein paar Monate zu Arbeitseinsätzen geschickt werden. Ich beobachte diese Mädchen mit Interesse. Sie haben keine Arbeitsstelle erhalten und werden daher eine Weile lang überall dort eingesetzt, wo sie gebraucht werden. Einige von ihnen sehen traurig, matt und enttäuscht aus. Andere blicken neugierig zum Fenster hinaus. Ich ertappe mich dabei, wie ich häufiger zu ihnen hinübersehe, als ich sollte. Eigentlich sollten wir unter uns bleiben. Außerdem muss ich mich darauf konzentrieren, Ky zu finden. Ich habe jetzt eine Ausrüstung: blaue Tabletten, das Artefakt namens Kompass, Kenntnisse über den Fluss Sisyphus und Erinnerungen an einen Großvater, der
nicht gelassen ging
.
    Mein Vater bemerkt, dass ich die Mädchen beobachte. Während meine Mutter und Bram weiterschlafen, sagt er leise: »Ich kann mich nicht daran erinnern, was gestern geschehen ist. Aber ich weiß, dass die Markhams die Siedlung verlassen haben, und ich glaube, das hat dich getroffen.«
    In dem Versuch, das Thema zu wechseln, blicke ich auf meine schlafende Mutter. »Warum haben sie ihr keine rote Tablette gegeben? Dann hätten wir nicht umzuziehen brauchen.«
    »Eine rote Tablette?«, fragt mein Vater überrascht. »Die sind nur für extreme Situationen gedacht, und diese gehört nicht dazu.« Dann fährt er zu meiner Überraschung fort. Er redet mit mir wie mit einer Erwachsenen, ja, mehr als das: wie mit einer Vertrauten. »Ich bin ein geborener Sortierer, Cassia«, sagt er. »Und die Summe aller Informationen führt für mich zu dem Ergebnis, dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Die Art und Weise, wie sie uns die Artefakte weggenommen haben, die Reisen deiner Mutter zu den anderen botanischen Gärten, die Lücke in meiner Erinnerung zwischen gestern und heute: Irgendetwas läuft aus dem Ruder. Sie verlieren einen Krieg, aber ich weiß ich nicht, welchen. Gegen Feinde im Inneren oder Feinde von außen? Jedenfalls mehren sich die Anzeichen für eine drohende Krise.«
    Ich nicke. Ky hat fast dasselbe gesagt.
    Aber mein Vater ist noch nicht fertig. »Und mir ist noch etwas anderes aufgefallen. Ich glaube, du bist in Ky Markham verliebt. Ich glaube, du willst ihn finden, wo immer er jetzt ist.« Er schluckt.
    Wieder werfe ich einen Blick auf meine Mutter. Ihre Augen sind jetzt geöffnet. Sie blickt mich zärtlich und verständnisvoll an, und mir wird klar, dass sie weiß, was mein Vater getan hat. Sie weiß, was ich will. Sie weiß alles, und obwohl sie niemals eine Gewebeprobe zerstören oder sich in jemanden verlieben würde, der nicht ihr idealer Partner ist, so liebt sie doch
uns
, trotz unserer Taten.
    Mein Vater hat seit jeher für die, die er liebt, die Regeln gebrochen, ebenso wie meine Mutter sie aus denselben Gründen respektiert hat. Vielleicht ist das ein weiterer Grund dafür, warum sie ein perfektes Paar sind. Auf die Liebe meiner Eltern kann ich mich verlassen. Und ich erkenne, dass das etwas unglaublich Wichtiges ist und dass ich froh sein kann, so aufgewachsen zu sein, egal, was in Zukunft passieren mag.
    »Wir können dir nicht das Leben ermöglichen, das du dir wünschst«, sagt mein Vater mit feuchten Augen. Er sieht meine Mutter an, und sie gibt ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er fortfahren soll. »Ich wollte, wir könnten es. Aber wir können dir eine Chance bieten, selbst darüber zu entscheiden, welches Leben du führen möchtest.«
    Ich schließe die Augen und bitte die Engel, Ky und Großvater um Kraft. Dann blicke ich meinen Vater
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