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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky
Autoren: Ally Condie
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nicht, dass Ihre Erinnerung an die Geschehnisse jenes Morgens an der Airtrain-Haltestelle gelöscht wurde. Damit wäre meine ganze Arbeit umsonst gewesen. Jetzt kann ich Sie wenigstens vor eine letzte Wahl stellen, eben weil Sie sich noch an diese Ereignisse erinnern.«
    Eine solche Wut steigt in mir auf, dass kein Raum mehr für Gedanken oder Worte bleibt.
Es wäre interessant gewesen, die Situation bis zum berechneten Ende durchzuspielen.
    Alles war von Anfang an geplant.
Alles.
    »Leider werden meine Fähigkeiten inzwischen jedoch anderweitig benötigt.« Mit einer Hand streicht sie über ihren Datenpod. »Wir haben einfach keine Zeit mehr, die Entwicklung noch länger zu beobachten, daher können wir das Experiment nicht weiter fortführen.«
    »Warum erzählen Sie mir das alles?«, frage ich. »Warum finden Sie es wichtig, dass ich alle Einzelheiten erfahre?«
    Überrascht blickt sie mich an. »Weil wir Sie schätzen, Cassia. Mehr oder weniger so, wie wir alle Bürger schätzen. Als Teilnehmerin eines Experiments haben Sie das Recht zu erfahren, was geschehen ist. Das Recht, die Wahl zu treffen, von der wir wissen, dass Sie sie jetzt treffen werden, anstatt noch länger zu warten.«
    Irgendwie merkwürdig, dass sie das Wort »Wahl« gebraucht, so unbeabsichtigt komisch, dass ich lachen würde, wenn ich nicht Angst hätte, dass es sich wie ein Weinen anhören würde. »Haben Sie Xander informiert?«
    Fast beleidigt antwortet sie: »Natürlich nicht. Er ist immer noch Ihr idealer Partner. Damit das Experiment kontrolliert ablaufen konnte, musste er im Ungewissen gelassen werden. Er weiß nichts von alldem.«
    Abgesehen von dem, was ich ihm erzählt habe
, denke ich, und mir wird klar, dass sie es nicht weiß.
    Es gibt also doch Dinge, von denen sie keine Ahnung hat.
Diese Erkenntnis verleiht mir ein gewisses Gefühl von wiedergewonnener Würde. Das Wissen zähmt und klärt meine Wut.
Und eines der Dinge, von denen sie nichts weiß, ist die Liebe.
    »Bei Ky war es etwas anderes«, fährt sie fort. »Ihm haben wir es gesagt. Wir gaben vor, ihn warnen zu wollen, aber natürlich hofften wir, ihm den Anstoß dazu zu geben, Ihre Nähe zu suchen. Und auch das hat funktioniert.« Sie lächelt überheblich.
    »Sie haben uns also die ganze Zeit beobachtet«, sage ich.
    »Nicht immer«, entgegnet sie. »Aber wir haben ausreichende Beobachtungen angestellt, um aussagekräftige Daten darüber zu sammeln, wie Ihre Interaktionen abliefen. Ihr Verhalten auf dem Hügel konnten wir leider nicht beobachten, nicht einmal auf dem kleineren. Offizier Carter hatte noch die Befehlsgewalt über dieses Gebiet und war über unsere Anwesenheit dort nicht erfreut.«
    Ich warte darauf, dass sie mir die entscheidende Frage stellt – irgendwie weiß ich, dass sie es tun wird. Obwohl sie vorgibt, eine vollständige Datensammlung zu besitzen, will ein Teil von ihr mehr wissen.
    »Also, was genau ist denn zwischen Ihnen und Ky vorgefallen?«, fragt sie.
    Sie weiß nichts von dem Kuss! Also ist er nicht deswegen fortgeschickt worden. Der Moment auf dem Hügel gehört immer noch uns, mir und Ky.
Uns.
Niemand kann daran teilhaben außer wir beide.
    Daran muss ich mich festhalten, wenn ich weitermachen will. Der Kuss, das Gedicht und das »Ich liebe dich«, das wir beide uns geschrieben und gesagt haben.
    »Wenn Sie es mir verraten, kann ich Ihnen helfen. Ich könnte Sie für eine Arbeitsstelle in der Stadt empfehlen. Sie könnten hierbleiben, Sie müssten nicht mit Ihrer Familie in die Landwirtschaftsgebiete ziehen.« Sie lehnt sich näher zu mir. »Erzählen Sie es mir!«
    Ich wende das Gesicht ab. Trotz allem ist ihr Angebot verlockend. Ich habe ein wenig Angst davor, Oria zu verlassen, und ich will Xander und Em nicht verlieren. Ich will nicht weg von den Orten, mit denen so viele Erinnerungen an Großvater verknüpft sind. Und vor allem will ich diese Stadt und dieses Viertel nicht verlassen, weil ich hier Ky kennen- und liebengelernt habe.
    Das Gefangenen-Dilemma.
Irgendwo da draußen ist Ky und hält mir die Treue, und jetzt kann ich dasselbe für ihn tun. Ich werde nicht aufgeben.
    »Nein!«, sage ich laut und deutlich.
    »Ich dachte mir, dass Sie so reagieren würden«, antwortet sie, aber ich höre die Enttäuschung aus ihrer Stimme heraus.
    Und plötzlich könnte ich laut loslachen. Am liebsten würde ich sie fragen, ob es nicht ab und zu anstregend ist, immer recht zu haben. Aber ich glaube, ich kenne ihre Antwort schon.
    »Also, wie
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