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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky
Autoren: Ally Condie
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gehalten zu werden! Das tun wir nicht für die Gesellschaft, die uns ständig beobachtet. Das ist meine Wirklichkeit. Ich werde ihn wahnsinnig vermissen!
    Für eine Weile spricht keiner von uns. Zum letzten Mal blicken wir unsere Straße entlang. Vielleicht kehre ich zurück, aber ich werde nie mehr hier wohnen. Wenn man einmal umgesiedelt wurde, kann man nicht zurückkehren, außer man kommt zu Besuch. Klare Schnitte sind am besten. Und den klarsten Schnitt werde ich machen, wenn ich mich auf die Suche nach Ky begebe. Diese Art von Verstoß wird niemand übersehen.
    »Ich habe gehört, dass ihr morgen aufbrecht«, beginnt Xander, und ich nicke, meinen Kopf an seiner Wange. »Ich muss dir etwas sagen.«
    »Was denn?«, frage ich. Ich blicke in den Garten und spüre, wie sich seine Schulter unter dem Zivilhemd bewegt, als er seine Sitzposition verändert. Aber ich rücke nicht von ihm ab. Was will er mir erzählen? Dass er nicht fassen kann, dass ich ihn betrogen habe? Dass er wünschte, mit wem auch immer gepaart worden zu sein, nur nicht mit mir? Verdient hätte ich es, aber ich glaube nicht, dass er so etwas sagen würde. Nicht Xander.
    »Ich kann mich an das erinnern, was heute Morgen geschehen ist«, flüstert Xander mir zu. »Ich weiß, was wirklich mit Ky passiert ist.«
    »Wie das?« Ich setze mich aufrecht hin und sehe ihn an.
    »Die roten Tabletten wirken nicht bei mir«, flüstert er mir ins Ohr, so dass es niemand anders hören kann. Er blickt die Straße hinunter zum Haus der Markhams. »Bei Ky wirken sie auch nicht.«
    »Wie bitte?«
Wie kommt es nur, dass diese beiden Jungen, die so unterschiedlich sind, sich in so unerwarteter, tiefgreifender Art und Weise ähneln? Aber vielleicht ähneln wir uns alle, denke ich, und sind es nur nicht mehr gewohnt, richtig hinzusehen. »Erzähl!«
    Xander blickt das kleine Haus mit den gelben Fensterläden an, in dem Ky bis vor wenigen Stunden gewohnt hat. Von wo aus Ky seine Umgebung beobachtet und gelernt hat, zu überleben. Xander hat ihn einiges gelehrt, ohne es zu wissen. Doch vielleicht hat auch Xander etwas von Ky gelernt.
    »Ich habe ihn einmal zu einer Wette herausgefordert, es ist schon lange her«, sagt Xander leise. »Es war kurz nachdem er hierhergezogen war. Nach außen hin war ich freundlich zu ihm, aber innerlich war ich eifersüchtig. Ich habe gesehen, wie du ihn angeschaut hast.«
    »Wirklich?«, frage ich. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, aber plötzlich hoffe ich, dass Xander recht hat. Ich hoffe, dass ein Teil von mir sich schon in Ky verliebt hat, bevor ich von außen den Anstoß dazu bekam.
    »Ich bin nicht besonders stolz auf das, was ich damals getan habe«, erzählt mir Xander. »Ich fragte ihn eines Tages, ob er mit mir schwimmen gehen wollte, und unterwegs sagte ich ihm, dass ich von seinem Artefakt wüsste. Ich hatte es herausgefunden, als ich eines Tages aus einer anderen Siedlung kam, wo ich etwas bei einem Freund abgegeben hatte. Und da sah ich, wie er es benutzte und versuchte, damit nach Hause zu finden. Er war so vorsichtig! Ich glaube, es war das einzige Mal, dass er das Artefakt mit hinausgenommen hat, aber er hatte Pech. Ich habe ihn gesehen.«
    Allein die Vorstellung davon bricht mir fast das Herz. Das ist noch eine Seite von Ky, die ich bisher nicht entdeckt habe – orientierungslos, aber risikobereit. So gut ich ihn kenne und sosehr ich ihn liebe, es gibt immer noch Facetten von ihm, die mir verborgen sind. Aber so geht es mir mit jedem, sogar mit Xander, von dem ich nie gedacht hätte, dass er so grausam sein kann.
    »Ich habe mit ihm gewettet, dass er es nicht schaffen würde, zwei rote Tabletten zu stehlen. Ich dachte, das sei unmöglich. Ich sagte, wenn er sie nicht am nächsten Tag mit zum Schwimmen bringen würde, um zu beweisen, dass er sie hätte, würde ich jedem von dem Kompass – dem Artefakt – erzählen und damit Patrick in Schwierigkeiten bringen.«
    »Und, was hat er getan?«
    »Du kennst doch Ky. Er hätte nie seinen Onkel in Gefahr gebracht.« Dann fängt Xander an zu lachen. Schockiert und wütend balle ich die Fäuste. Findet er das etwa lustig? Was soll an dieser Geschichte bloß komisch sein?
    »Ky hat also die Tabletten organisiert. Und rate mal, wem er sie gestohlen hat?«, fragt Xander, immer noch lachend. »Rate mal!«
    »Ich weiß es nicht. Sag’s mir.«
    »Meinen Eltern.« Xander hört auf zu lachen. »Damals war es natürlich ganz und gar nicht lustig. An dem Abend waren meine
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