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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman
Autoren: Heyne
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ihr, was sie war - ein sehr junges Mädchen, das ebenso wenig vom Akt des Kinderzeugens wusste wie er; er merkte, dass ihre Worte freundlich gemeint waren, und er begann, sie zu lieben, wie bald alle in Delain sie lieben sollten.
    »Das ist Königseisen«, sagte er.
    »Sieht nicht wie Eisen aus«, meinte Sasha zweifelnd.

    »Das ist, bevor es in der Schmiede war«, sagte er.
    »Aha!«, sagte sie. »Und wo ist die Schmiede?«
    »Wenn du mir vertraust«, sagte er und stieg zu ihr ins Bett, »dann werde ich es dir zeigen, denn du selbst hast sie aus der Westlichen Baronie mitgebracht, ohne es zu wissen.«

3
    Das Volk von Delain liebte sie, weil sie freundlich und gütig war. Es war Königin Sasha, die das Große Hospital gründete, Königin Sasha, die so bitterlich über die Grausamkeit der Bärenhatz auf dem großen Platz weinte, dass Roland schließlich den Brauch verbot; es war Königin Sasha, die den König um eine Senkung der Steuern anflehte, als die große Dürre hereinbrach und selbst die Blätter des Großen Alten Baums grau wurden. Man könnte sich fragen, ob Flagg gegen sie intrigierte. Anfangs nicht. In seinen Augen waren dies vergleichsweise unbedeutende Dinge, denn er war ein echter Magier und lebte schon seit Hunderten und Aberhunderten Jahren.
    Sogar die Steuersenkung ließ er durchgehen, weil im Jahr zuvor die Flotte von Delain die Piraten von Anduan besiegt hatte, welche die Südküste des Königreichs mehr als hundert Jahre lang unsicher gemacht hatten. Der Schädel des Piratenkönigs von Anduan grinste von einem Pfahl vor den Palastmauern herab, und die Schatzkammern von Delain barsten schier von der wiedergewonnenen Beute. In bedeutenderen Fragen, Fragen der Staatsführung, hörte der König immer noch auf Flagg allein, und daher war Flagg vorerst zufrieden.

4
    Wenngleich Roland begann, seine Frau zu lieben, lernte er doch nie, jene Tätigkeit zu lieben, welche die meisten Männer als überaus angenehm empfinden, den Akt, der sowohl den niedersten Küchenjungen wie auch den Erben des höchsten Throns hervorbringt. Er und Sasha schliefen in getrennten Gemächern, und er besuchte sie nicht oft. Diese Besuche erfolgten nicht häufiger als fünf- bis sechsmal pro Jahr, und manchmal konnte kein Königseisen geschmiedet werden, obschon Flagg immer stärkere Mixturen herstellte und Sasha stets liebevoll und zärtlich war.
    Dennoch wurde vier Jahre nach ihrer Hochzeit Peter in ihrem Bett gezeugt. Und in dieser Nacht brauchte Roland Flaggs Trunk nicht, der grün war und schäumte und stets ein seltsames Gefühl in seinem Kopf hervorrief, als wäre sein Verstand benebelt. An diesem Tag hatte er mit zwölf seiner Männer in den Reservaten gejagt. Die Jagd hatte Roland stets am meisten geliebt - den Geruch des Waldes, die kühle, feuchte Luft, der Klang des Horns und das Gefühl des Bogens, wenn ein Pfeil losschnellte, um sein Ziel zu treffen. Schießpulver war zwar bekannt in Delain, aber selten, und die Jagd auf Wild mit einer Eisenröhre wurde zudem als unwürdig und verachtenswert betrachtet.
    Sasha lag im Bett und las, als er zu ihr kam, sein gerötetes bärtiges Gesicht strahlte, und sie legte ihr Buch auf
die Brust und lauschte aufmerksam seiner Geschichte, die er heftig gestikulierend erzählte. Am Ende beugte er sich zurück und zeigte ihr, wie er den Bogen gespannt hatte und Feind-Hammer, den großen Pfeil seines Vaters, über die schmale Klamm hinwegfliegen ließ. Als er das tat, da lachte sie und klatschte und gewann dadurch sein Herz.
    Die Reservate des Königs waren beinahe leer gejagt. Es war schwer geworden, einen großen Hirsch darin zu finden, und einen Drachen hatte seit urdenklichen Zeiten niemand mehr gesehen. Die meisten Menschen hätten gelacht, hätte man angedeutet, dass in dem sorgsam gehegten Wald noch ein solches mythisches Wesen hausen sollte. Doch an eben diesem Tag, eine Stunde vor Sonnenuntergang, als Roland und seine Mannen gerade umkehren wollten, da fanden sie genau das - oder besser, es fand sie.
    Der Drache kam trampelnd und krachend aus dem Unterholz hervor, seine Schuppen schimmerten wie Grünspan auf Kupfer, aus den rußverkrusteten Nasenlöchern stieg Rauch auf. Es war kein kleiner Drache, sondern ein Männchen kurz vor der ersten Häutung. Die meisten der Gruppe waren wie vom Donner gerührt, niemand konnte einen Pfeil anlegen oder sich nur bewegen.
    Er starrte die Jagdgesellschaft an, seine gewöhnlich grünen Augen wurden gelb, und er flatterte mit den Flügeln. Es
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