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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa
Autoren: Bernhard Jaumann
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anlangte.
    »Catia!«, zischte Ivan.
    Sie rührte sich nicht. Marta kam hinter der Theke hervor.
    »Du kannst bei uns schlafen, wenn du willst«, sagte sie.
    Catia zuckte zusammen und sah sie von unten herauf an. »Nein, nein, ich muss nach Hause zu Minh.«
    »Dein Sohn ist siebzehn Jahre alt«, sagte Marta.
    »Trotzdem«, sagte Catia. Sie blieb sitzen.
    »Ich gehe schon mal vor.« Ivan warf den Lappen in die Spüle, wischte sich die Hände an der Hose ab und wartete ein paar Sekunden. Als sich seine Frau zu Catia an den Tisch setzte, schüttelte er den Kopf und ging.
    »Was ist los, Catia?«, fragte Marta.
    Catia holte die Fernbedienung von der Theke und schaltete den Fernsehapparat wieder ein. Es lief irgendeine Rateshow, deren Moderator einem johlenden Publikum irgendetwas entgegenkreischte. Catia wechselte den Kanal. Die Nachrichten auf Rai Due hatten noch nicht begonnen.
    »Ein scheußliches Gefühl, dass das hier bei uns passiert ist«, sagte Marta, »doch das ist Zufall. Es hätte genauso anderswo geschehen können. Da geht es um Politik und Justiz, um Mafia, Terrorismus oder was weiß ich. Jedenfalls nicht um gewöhnliche Leute, wie wir es sind. Montesecco hat damit nichts zu tun, und die Täter sind garantiert längst über alle Berge. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    »Wahrscheinlich nicht.« Catia lächelte verkniffen.
    »Wenn du Angst hast, kannst du gern hier bleiben. Wir können Minh ja herholen.«
    »Nein, nein, ich gehe gleich.« Catias Finger spielten mit der Fernbedienung.
    »Irgendwelche Wahnsinnigen haben ein Attentat verübt. Das ist schrecklich, aber wir können es nicht ungeschehen machen. Da nützt es auch nichts, wenn du wieder und wieder …«
    »Psst!«, machte Catia und stellte den Ton lauter. Die Nachrichten begannen. Natürlich war der Anschlag auf Oberstaatsanwalt Malavoglia der Aufmacher, und natürlich wurde kein Bild ausgestrahlt, das Catia nicht schon mindestens drei Mal gesehen hatte. Vielleicht in den 3-Uhr-Nachrichten.

2
Martedì, 15 gennaio
    Sicut nox silentes. Lautlos wie die Nacht, das war das Motto des Nucleo Operativo Centrale di Sicurezza, und tatsächlich schlug die Spezialeinheit der italienischen Staatspolizei fast immer spätnachts los. Das hatte nicht nur den Vorteil, dass man im Schutz der Dunkelheit leichter an das Zielobjekt herankam und deutlich weniger Unbeteiligte im Weg standen. Entscheidend war, dass Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit in den frühen Morgenstunden stark nachließen. Das galt zumindest, wenn der Gegner nicht ähnlich professionell trainiert war wie die Mitglieder des NOCS.
    Enrico Munì war exzellent ausgebildet. Er hatte die medizinischen und psychologischen Tests gemeistert, die sechsmonatige Grundausbildung überstanden, in der neun von zehn Bewerbern scheiterten, und er hatte die zweijährige Schulung in Abbasanta auf Sardinien mit Auszeichnung abgeschlossen. Er lief die hundert Meter in 12,5 Sekunden, er konnte Fallschirm springen, sich von Hochhäusern abseilen und eine Sprengladung unter Wasser anbringen. Es gab kein Waffensystem im Besitz der italienischen Staatspolizei, das er nicht im Schlaf beherrschte. Er war taktisch auf jede denkbare Situation vorbereitet, hatte Stressbewältigungsseminare absolviert und wusste, dass er sich auf die Kameraden seiner Sturmeinheit verlassen konnte. Und doch spürte Enrico Munì das Adrenalin durch seinen Körper jagen. Es war sein erster Einsatz. Der Ernstfall ließ sich mit keiner noch so realistischen Übung vergleichen.
    Munìs Sturmeinheit bestand aus vier Mann, die sich den Nordhang hochgearbeitet hatten und im Schutz der letzten Bäume auf das Kommando zum Vorrücken warteten.Eine zweite, gleich starke Gruppe würde von Westen kommen, die dritte musste sich jetzt an der Friedhofsmauer unterhalb von Montesecco befinden. Es war 3 Uhr 42.
    Von seinem Standpunkt aus konnte Munì kein direktes Laternenlicht sehen, nur ein schwacher gelber Schein lag über den Dächern von Montesecco. Bis zu den ersten Häusern an der Nordseite des Hügelkamms hatten sie noch circa zehn Meter Aufstieg zu bewältigen. Über eine Fläche fast ohne Schutz, die im Schein des verdammten Mondes hell glänzte. Sie trugen dunkle Kampfanzüge, hatten die Gesichter geschwärzt, und selbst die Helme mit integriertem Headset waren finster wie die Nacht. Die Fenster der flachen Häuser konnte man nur erahnen. Nirgends brannte Licht. Es war 3 Uhr 44.
    »Move!«, flüsterte die heisere Stimme des Einsatzleiters aus
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