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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin
Autoren: Yasmina Khadra
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Betrunkener schlägt mitten auf einem Platz um sich, wahrscheinlich versucht er, die Läuse abzuschütteln, die dabei sind, ihn roh zu verspeisen. An einer roten Ampel halten zwei Schutzmänner die öffentliche Ordnung aufrecht, ein Auge nach vorn, eins nach hinten gewandt, wie ein Chamäleon.
    Im Fahrzeug herrscht Schweigen. Der Chauffeur ist mit seinem Lenkrad verwachsen. Er hat breite Schultern und einen Stiernacken. Ein einziges Mal streift mich sein Blick im Innenspiegel, dabei läuft es mir kalt über den Rücken …
    » Nach den ersten Untersuchungsergebnissen weist die Art der Verstümmelung Ihrer Frau die typischen Verletzungen fundamentalistischer Selbstmordattentäter auf. « Mir ist, als werden diese Enthüllungen mich bis ans Ende meiner Tage verfolgen. Sie gehen mir immer wieder durch den Kopf, erst in Zeitlupe, dann, als ob sie sich nicht genug wiederholen könnten, belagern sie mich von allen Seiten. Die Stimme des Offiziers fährt in einem fort auf mich nieder, scharfkantig und autoritär, geladen vom extremen Ernst der Worte: » Die Frau, die sich in die Luft gesprengt hat … die Selbstmordattentäterin … das ist Ihre Frau … « Sie wendet sich gegen mich, diese Stimme, brandet gegen mich an, erhebt sich wie eine dunkle Woge, überschwemmt meine Gedanken, zertrümmert meine Zweifel, bevor sie sich jäh zurückzieht, und reißt große Teile von mir mit sich fort. Nur gerade so lange, bis ich etwas klarer sehe in meinem Schmerz, dann taucht sie wieder auf, stürmt schäumend und tosend gegen mich an, als ob sie mich, bis zur Tollwut gereizt durch meine Fassungslosigkeit, Faser um Faser bis zur völligen Auflösung auseinander nehmen wollte …
    Der Bulle links von mir kurbelt die Scheibe herunter. Ein Schwall Frischluft peitscht mir ins Gesicht. Vom Meer steigt ein Gestank auf wie nach faulem Ei.
    Die Nacht zieht sich zurück, während die Morgenröte schon vor den Stadttoren wartet. In den Blickscharten zwischen den Hochhäusern ist ein dunkelgelber Streifen zu sehen, der systematisch den Horizont durchsetzt. Es ist eine ermattete Nacht, die da den Rückzug antritt, betäubt und betrogen, mit toten Träumen und voller Ungewissheit. Am Himmel, an dem sich jede Spur friedlicher Ruhe verflüchtigt hat, ist nicht eine Wolke bereit, den leuchtenden Eifer dieses Tages, der sich gerade zeigt, zu verdecken. Und wenn sein Licht auch die Offenbarung wäre, es würde meine Seele doch nicht wärmen.
    Bei meiner Rückkehr erwartet mich ein frostiger Empfang. Vor meinem Haus steht ein Gefängniswagen. Auf beiden Seiten des Gartentors sind Polizisten aufgestellt. Ein weiteres Fahrzeug, halb auf dem Gehweg geparkt, lässt sein rotes und blaues Licht kreisen. Da und dort glimmt eine Zigarette in der Dunkelheit.
    Man lässt mich aussteigen.
    Ich öffne das Tor, betrete meinen Garten, laufe die paar Stufen bis zur Haustür hinauf und schließe auf. Ich bin ganz klar im Kopf und warte doch nur darauf, dass ich endlich aufwache.
    Die Polizisten, die genau wissen, was sie zu tun haben, strömen in die Diele und verteilen sich rasch auf die Zimmer, um mit der Durchsuchung zu beginnen.
    Hauptmann Moshe zeigt auf ein Sofa im Wohnzimmer.
    »Wollen wir ein wenig plaudern, unter vier Augen ?«
    Er schiebt mich höflich, aber bestimmt Richtung Sofa, sehr bedacht auf seinen Offiziersrang, bestrebt, sich seiner Aufgabe würdig zu erweisen, doch seiner Höflichkeit fehlt die Glaubwürdigkeit. Er ist bloß ein Raubtier, das sich seiner Taktik sicher ist, jetzt, da es die Beute in der Falle weiß. So wie der Kater, der die Maus, nur so zum Vergnügen, noch eine Weile zappeln lässt, bevor er sie verspeist.
    »Bitte nehmen Sie doch Platz .«
    Er holt eine Zigarette aus dem Etui, schnippt kurz mit dem Fingernagel dagegen, schiebt sie mit einer Drehbewegung in den Mundwinkel und greift zum Feuerzeug. Kaum hat er sie angezündet, bläst er den Rauch in meine Richtung.
    »Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich rauche ?«
    Er nimmt noch ein oder zwei Züge, folgt den Rauchkringeln mit dem Blick bis zur Decke, wo sie ineinander gleiten.
    »Da hat sie Ihnen ganz schön was eingebrockt .«
    »Wie bitte?«
    »Oh, Entschuldigung, ich nehme an, Sie stehen noch unter Schock .«
    Sein Blick huscht über die Gemälde an den Wänden,
    mustert die Eckschränke ringsum, gleitet über die imposanten Vorhänge, verweilt hier und da, dann treibt er mich erneut in die Enge.
    »Wie kann man freiwillig auf solch einen Luxus verzichten ?«
    »Wie
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