Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
ihrem Gedankengut kennen wir lediglich eines: den Plan und die Methode, uns zu vernichten.«
    Er schwieg einen Augenblick, dann fuhr er fort: »Es ist uns bekannt, daß die Materie blind ist. Der Mensch bringt Ordnung in den unermeßlichen Raum des Weltalls; denn er schafft Werke. Wesen aber, die sich die Vernichtung anderer zum Ziel setzen, tragen den Keim des eigenen Verderbens in sich – und wenn sie noch so mächtig sind. Was wollen und können wir über sie denken? Die Vorstellungskraft versagt, der menschliche Geist schreckt vor dem Riesenmaß an Leiden und Sterben zurück, das in dem Worte, ›Untergang eines Planeten‹ enthalten ist. Sollen wir diese Geschöpfe verdammen? Waren es Ungeheuer, die die Venus bewohnten? Ich glaube es nicht. Gab es nicht auch auf der Erde, innerhalb der menschlichen Gemeinschaft, die furchtbarsten Kriege, in denen Bauern, Fischer, Töpfer, Zimmerleute, Beamte und Künstler verleitet und gezwungen wurden, einander umzubringen? Und waren etwa die Millionen und aber Millionen, die in den Kriegen zugrunde gingen, schlechter als wir? Verdienten sie nichts anderes als diesen sinnlosen Tod? Professor Arsenjew ist der Meinung, daß Maschinen die Bewohner der Venus in den Abgrund trieben. Das steht noch nicht fest; aber nehmen wir an, daß es tatsächlich so gewesen ist. Ja, gab es auf der Erde nicht auch Wesen, die das taten, was Ihnen, Pilot, als widersinnig erscheint – gab es bei uns keine Händler desTodes, die in den Kriegen beiden kämpfenden Parteien dienten und ihnen Waffen verkauften?
    Wir können hier so manche Parallele finden, und das ist kein Zufall; denn es müssen gemeinsame Gesetze bestehen, denen die Geschichte vernunftbegabter Wesen unterworfen ist. Vernunftbegabter – wie bitter klingt das Wort in diesem Zusammenhang!
    Es besteht jedoch zwischen uns und den Venusbewohnern ein Unterschied, der ebenso groß ist wie der zwischen Leben und Tod. Über allen Städten dieses Planeten schwebten Atomsonnen, die nicht für Ewigkeiten leuchteten, um Leben zu spenden und sein Gedeihen zu fördern, sondern nur für einen einzigen Augenblick – um es auszulöschen. In einer Temperatur von Millionen Grad siedeten und zerschmolzen ihre prächtigen Gebäude, verbrannten die Maschinen, barsten die Maste der Radiosender und zersprangen die unterirdischen Rohrleitungen. So entstand das Landschaftsbild, das wir wenige Jahrzehnte nach der Katastrophe erblickt haben: Ruinen, Trümmerfelder, Wüsten, Wälder erstarrter Kristalle, Flüsse gärenden Plasmas und – die weiße Kugel, die letzte Zeugin dieses Weltunterganges, deren Schaltwerke, von niemandem geregelt, noch immer rastlos tätig sind. Ohne jeden Zweifel und Nutzen werden ungeheure Energien entfesselt, und das wird so lange weitergehen, wie noch das schwarze Plasma in den unterirdischen Speichern und Leitungen pulsiert, Hunderte von Jahren vielleicht ... falls nicht inzwischen der Mensch von diesem Planeten Besitz ergreift.«
    »Eine furchtbare Hinterlassenschaft«, flüsterte ich.
    »Ja«, sagte Arsenjew, »aber das Leben allein gibt der Welt ihren Sinn. Deshalb werden wir auch den Mut haben, auf die Venus zurückzukehren. Wir werden für immer ihrer Tragödie ein Andenken bewahren, der Tragödie des Lebens, das sich gegen das Leben erhob und dabei selbst vernichtet wurde.«
    Arsenjew trat an den Televisor.
    »Freunde. Die Expedition zur Venus ist nur eine Etappe, der erste Schritt auf einem Wege, dessen Endziel keiner von uns vermuten kann. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir auch die Grenzen unseres Sonnensystems überschreiten, daß wir auf Tausende Himmelskörper, die um andere Sonnen kreisen, unseren Fuß setzen werden. Nach Millionen, vielleicht nachMilliarden Jahren wird die Zeit kommen, wo der Mensch die ganze Milchstraße bevölkert und die Lichter des nächtlichen Himmels ihm so nahe, so vertraut sind wie die Lichter entfernter Häuser. Wir können diese Zeiten nur dunkel ahnen; aber eines weiß ich, daß die Liebe bis dahin nicht zu bestehen aufhört; denn erst durch sie spiegelt sich die Schönheit der Welt in den Augen des Nächsten wider.«
    Arsenjew stand unter dem Leuchtschirm. Ein schwacher Abglanz von den Schwärmen flimmernder Sternenstäubchen schien auf sein Gesicht zu fallen. Lange Zeit verharrten wir in Schweigen, als lauschten wir Stimmen aus unendlich fernen Welten.
    Da klingelte das Telefon. Lao Tsu nahm den Hörer ab, dann legte er ihn neben den Apparat und blickte zu Arsenjew hinüber.
    »Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher