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Die Apfelprinzessin

Die Apfelprinzessin

Titel: Die Apfelprinzessin
Autoren: Jenny Han
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doch nicht nur ein Traum. Vielleicht war es ein Zeichen. Und vielleicht, nur vielleicht, gab es das Glück doch.

    Den ganzen Morgen über konnte ich die Finger und die Füße nicht still halten.
    Ms. Morgan, meine Lehrerin, fragte: »Clara Lee, was bist du denn heute so aufgeregt?«
    Ich lächelte sie nur an und zuckte geheimnisvoll mit den Schultern. Sie würde den Grund schon bald erfahren.
    Ms. Morgan lächelte zurück, dann drehte sie sich wieder zur Tafel und schrieb etwas an.
    »Ich kann’s gar nicht mehr erwarten, bis die große Ankündigung kommt!«, flüsterte ich Shayna zu. Ich fühlte mich wie ein roter Luftballon, der fröhlich hoch am Himmel schwebt.
    Sie nickte kurz und sah schnell wieder zur Tafel.
    »Ich glaube wirklich, ich könnte gewinnen«, quasselte ich weiter. »Bis jetzt habe ich nämlich den perfekten Glückstag. Guck doch mal, wie toll meine Zöpfe heute –«
    »Clara Lee! Psst!«, flüsterte Shayna zurück. »Ich will keinen Ärger bekommen!«
    Ich fühlte mich, als hätte Shayna mir mit einer Nadel in den Bauch gepiekst. Plötzlich war ich ein schrumpeliger roter Ballon, der langsam alle Luft verlor. Es war doch nicht so, als würde Shayna dauernd meinetwegen Ärger kriegen, oder?
    »Tut mir leid«, flüsterte ich.
    Sie beachtete mich nicht und schrieb die Sätze von der Tafel ab. Seufzend machte ich mich ebenfalls an die Arbeit. Ich wusste nicht, ob ich es aushalten konnte, noch so lange zu warten, bis ich wusste, ob ich auf dem Festwagen mitfahren würde oder nicht. Aber vermutlich blieb mir gar nichts anderes übrig.

    Der Tag verging langsamer, als eine Raupe an einem Baum hochkriecht. Das genaue Gegenteil vom Vormittag zuvor. Lesen, Mittagessen, Sport, Musik, Sozialkunde. Und dann war es endlich, endlich Zeit für die Schulversammlung in der Aula.
    Während wir darauf warteten, dass Mr. Charlevoix die große Ankündigung machte, sagte Shayna: »Viel Glück, Clara Lee.«
    Deswegen ist Shayna meine beste Freundin, sie ist nicht nachtragend. Sie kann verzeihen.
    Dann hakten wir unsere kleinen Finger ineinander und warteten. Dionne, die in der Reihe vor uns saß, drehte sich zu uns um. »Viel Glück, Clara Lee.«
    Sie lächelte mich mitleidig an, so als hätte sie bereits gewonnen. Vielleicht war es ja auch so. Da ihre Familie in Bramley so bekannt war, gehörte ihre Mutter bestimmt zum Festkomitee. Vielleicht hatte Dionne daher schon geheime Informationen. »Ich wünschte, wir könnten beide gewinnen«, sagte sie. »Andererseits – wenn alle auf denFestwagen dürften, dann gäb’s keine Zuschauer, stimmt’s?«
    »Stimmt«, sagte ich säuerlich. »Und deine Rede war wirklich gut.«
    »Danke«, sagte Dionne. Sie sagte es so, als bedankte sie sich dauernd. Als bekäme sie dauernd zu hören, wie toll sie sei.
    »Warst du nervös, als du gestern vor allen Leuten auf die Bühne musstest?«, fragte ich sie. »Ich schon, und wie!«
    Dionne schüttelte den Kopf, und ihre Locken flogen herum. »Eigentlich nicht. Ich singe ganz oft bei uns im Kirchenchor, daher bin ich es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen. Ich hab sogar meinen Namen nach einer berühmten Sängerin – Céline Dion. Hast du schon von ihr gehört?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Also, meine Mutter findet sie ganz toll, und ich auch. Außerdem sagt meine Mutter, ich hätte eine Stimme wie ein Engel und würde alle Leute froh machen, wenn ich auf der Bühne stehe und singe. Deshalb mach ich’s, sooft ich kann.«
    Als sie sich wieder umdrehte, hätte ich ihr am liebsten die rote Schleife aus den Haaren gerissen. Aber ich hab’s gelassen. Shayna hat mir ganz fest den kleinen Finger gedrückt, und davon ging es mir gleich besser.
    Jetzt ging Mr. Charlevoix auf die Bühne. In einer Hand hielt er die rote Schärpe, in der anderen das Apfeldiadem. Er legte beides auf das Rednerpult, dann rückte er seine Krawatte zurecht und räusperte sich. »Ich glaube, wir alle haben gestern etwas darüber gelernt, was unsere Stadt so besonders macht.
Très spécial.
Alle, die sich mit einer Rede beworben haben, haben ihre Sache sehr gut gemacht.
Vraiment magnifique
. Aber es kann nur eine Apfelprinzessin werden. Und das ist eine große Ehre.«
    Mr. Charlevoix spickte seine Reden immer mit französischen Wörtern. Ich wünschte, er würde sich beeilen und uns lieber sagen, wer morgen auf dem Festwagen mitfahren würde.
    »Um es nicht so spannend zu machen …«
    Ich hielt die Luft an, und Shayna und ich hielten uns ganz fest an den kleinen
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