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Die Apfelprinzessin

Die Apfelprinzessin

Titel: Die Apfelprinzessin
Autoren: Jenny Han
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passiert war. Opa saß im Fernsehzimmer und schaute eine seiner koreanischen Kitschserien, in denen die Frauen ständig heulen und die Männer immer so piekfeine Anzüge tragen.
    Er saß mit dem Rücken zu mir auf dem Sofa, und ich wollte auf Zehenspitzen hinter ihm vorbeischleichen, aber er sagte: »Willkommen zu Hause! Lass dich von Opa umarmen!«
    Ich könnte schwören, Opa hat auch hinten am Kopf Augen.
    Ich ging zu ihm und umarmte ihn, aber es war eine ziemlich laue Angelegenheit. Wieeine schlaffe grüne Bohne kam ich mir vor. Ich war nicht mit dem Herzen dabei.
    Opa klopfte auf das Polster neben sich. »Was ist mit meiner Clara?«
    Ich ließ mich aufs Sofa fallen. Wenn ich Opa jetzt erzählte, dass unsere Familie nicht amerikanisch genug sei, jedenfalls nicht so amerikanisch wie Apple Pie, dann würde ihn das sicher traurig machen. Andererseits hatte ich Opa noch nie angelogen. Opa und ich, wir lügen einander nie an.
    Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. »Weißt du noch, was ich dir erzählt habe? Das mit der Apfelprinzessin?«
    Opa nickte.
    »Ich glaube, ich bewerbe mich doch nicht«, sagte ich. Meine Stimme hörte sich so dünn und zittrig an, dass ich gleich noch trauriger wurde. Ich konnte Opa nicht ansehen. Wenn er mich mit traurigen Augen anschaute, würde ich anfangen zu weinen und vielleicht nie mehr wieder aufhören können, das wusste ich.
    »Warum nicht?«, wollte er wissen.
    »Weil Dionne Gregory gesagt hat, ihr Ururgroßonkel ist einer der Männer gewesen, die diese Stadt gegründet haben. Ihre Familie ist so amerikanisch wie Apple Pie, sagt sie.« Ich schniefte.
    »Was heißt das – amerikanisch wie Apple Pie?«
    »Das heißt einfach bloß so richtig, richtig amerikanisch«, erklärte ich ihm.
    »Ja und? Das bist du doch – so amerikanisch wie dieser Apfelkuchen.«
    Ich wischte mir eine Träne weg. »Ich glaube, so amerikanisch wie Dionne Gregory bin ich nicht.«
    »Aber Clara-ja – natürlich bist du das! Koreanisch-amerikanisch, das bist du, ganz und gar!« Opa legte beide Arme um mich. »Du bist beides: hundert Prozent amerikanisch, hundert Prozent koreanisch. Deswegen bist du nicht weniger als andere Leute. Deswegen bist du mehr.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    »Aber ich weiß. Vertrau Opa. Ich sag die Wahrheit. Vertraust du Opa?«
    Ich nickte.
    »Gut. Dann vergiss nicht und sei stolz, Clara-ja.«
    Ich kuschelte mich an Opa und fragte: »Du meinst also, ich sollte mich trotzdem bewerben?«
    »Natürlich!« Er zog sein großes Taschentuch aus der Tasche und wischte mir die Tränen vom Gesicht.
    »Vielleicht mache ich’s wirklich«, sagte ich.
    »Bravo, Clara!« Opa hob eine Hand, und wir schlugen ein. Das hat er von mir gelernt, vom wem auch sonst. Wir haben so fest eingeschlagen, dass meine Hand brannte. Was wusste Dionne schon? Georgina hatte recht – Dionne Gregory hatte doch von nichts eine Ahnung.
    Aber da war trotzdem noch was. »Opa, ich habe Krach mit Max, und alle sind böse auf mich.«
    »Was ist passiert? Max ist ein netter Junge.«
    Ich zögerte. »Also, Max wollte, dass ich sein Valentinsschatz bin.«
    »Was ist das, ein Valentinsschatz?«
    »Max wollte, dass ich mit ihm gehe, als seine Freundin«, erklärte ich Opa.
    »
Freundin
? Du bist doch viel zu jung für einen Freund. Du musst noch frei sein.« Opa schüttelte den Kopf. »Du hast gesagt: Nein danke?«
    »Nicht direkt. Ich hab Nein gesagt, und da hat er gesagt, er will seine Kette zurück. Aber ich wollte sie nicht hergeben, und da habe ich ihn getreten, und er ist von der Bank gefallen, im Bus.« Das Letzte habe ich sehr schnell hinterhergeschickt, weil ich hoffte, dass Opa dann nicht alles verstehen würde.
    Aber er hat es doch verstanden. Er schüttelte wieder den Kopf und sagte: »Oje, das ist nicht nett.«
    »Ich weiß«, flüsterte ich. Ich fühlte mich wie die mieseste Freundin aller Zeiten.
    »Wenn ein Junge dich mag, musst du sagen: Nein danke. Du darfst nicht treten, nicht umschmeißen.«
    »Ich weiß«, sagte ich wieder. »Aber er hat meine Kette kaputt gemacht, wirklich!«
    Opa sah mich nur streng an, deswegen fügte ich schnell hinzu: »Aber du hast recht, Opa. Ich hätte ihn nicht treten sollen. Das weiß ich jetzt.«
    »Und nun – was machst du?«
    »Entschuldigung sagen?«
    »Braves Mädchen.«
    Ich fühlte mich schon besser. Opa weiß immer die richtigen Worte.

    Abends, als wir uns bettfertig machten, fragte Mama: »Wie wär’s heute mal mit einem richtigen Schaumbad, Schätzchen?«
    Bestimmt
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