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Die Antikriegs-Maschine

Die Antikriegs-Maschine

Titel: Die Antikriegs-Maschine
Autoren: Bob Shaw
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Hutchman dafür qualifiziert sei, die Rolle Gottes zu übernehmen.
    Auf technischer Ebene war die Situation eindeutig, unkompliziert. Er war imstande, die Zahlen auf dem angekohlten Stück Papier in physische Realität umzusetzen. Dazu brauchte er nur einige Wochen Zeit und elektrische und elektronische Bauteile im Wert von etwa tausend Pfund; das Ergebnis würde eine kleine, wenig eindrucksvolle Maschine sein.
    Aber sobald diese Maschine eingeschaltet wurde, zündete sie fast augenblicklich sämtliche Kernwaffen der Erde.
    Sie war eine Antibomben-Maschine. Eine Antikriegs-Maschine.
    Ein Mittel, um Megatode in Megaleben zu verwandeln.
    Die Erkenntnis, daß sich ein Neutronenresonator bauen ließ, war Hutchman an einem ruhigen Sonntagmorgen vor fast einem Jahr gekommen. Er hatte sich mit einigen Ideen auf der Basis der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung befaßt, als er plötzlich tiefer als zuvor in den mathematischen Urwald hineingesehen hatte, der die Realität vor geistiger Durchdringung abschirmt. Das Formeldickicht war durchsichtiger geworden, und Hutchman hatte dahinter für kurze Zeit die Antibomben-Maschine gesehen. Dieses Bild war sofort wieder verschwunden, aber sein fliegender Bleistift hatte so viele Einzelheiten notiert, daß er den Pfad dorthin später wiederfinden konnte.
    Mit dieser überraschenden Inspiration ging das halb mystische Gefühl einher, auserwählt zu sein. Er hatte schon oft gelesen, daß Forscher, denen ein wichtiger Durchbruch gelungen war, ihre Arbeit mit dem Bewußtsein einer besonderen Begabung taten, aber dieses Gefühl wurde bald durch die Erkenntnis der gesellschaftlichen und beruflichen Auswirkungen abgelöst. Wie der Dichter,
    der ein einziges Meisterwerk geschaffen hat, wie der Maler, dem ein unsterbliches Bild geglückt ist, konnte Lucas Hutchman, ein unbedeutender Mathematiker, die Geschichte der Menschheit beeinflussen – wenn er den Mut dazu fand. Hutchman war in diesem einen Jahr nicht gleichmäßig vorangekommen. Zu einem Zeitpunkt hatte er geglaubt, seine Maschine benötige etwa dreimal soviel Strom, wie auf der ganzen Welt erzeugt wird; aber dieses Hindernis hatte sich als Fehlberechnung herausgestellt. Tatsächlich konnte die Maschine von einer tragbaren Energiequelle aus betrieben werden. Ihre Signale würden sich endlos von Neutron zu Neutron fortpflanzen: harmlos und unsichtbar, solange sie nicht auf Neutronenkonzentrationen knapp unterhalb kritischer Massen stießen. Dann war der Punkt gekommen, an dem Hutchman geglaubt hatte, der Energiebedarf sei so gering, daß seine Zeichnung bereits die eigentliche Maschine ersetzen könne.
    Oder genügt es schon, wenn ich mir die Maschine in Gedanken vorstelle? hatte er sich damals gefragt. Würde das die wahre Überlegenheit des Verstandes über die Materie beweisen? Ein leidenschaftsloser Gedanke – und schon verzehren alle nuklearen Waffen dieser Welt ihre Beherrscher.
    Aber auch dieses Problem hatte sich anders lösen lassen; die Berechnungen waren fertig, und Hutchman stand nun vor der Erkenntnis, daß er nichts mit seiner eigenen Schöpfung zu tun haben
wollte.
    Aus einer anderen Dimension mischte sich eine Stimme ein: Du hast sechs Dutzend Pfeile aus hundert Meter Entfernung verschossen und 402 Punkte erzielt. Der Neutronenresonator ist das wirksamste Abwehrmittel. Ein so gutes Zwischenergebnis hast du noch nie erzielt. Und im Zusammenhang mit einem Atomkrieg ist das wirksamste Abwehrmittel die wirksamste Angriffswaffe. Wenn du so weitermachst, kommst du auf über tausend pro Runde. Wenn das Verteidigungsministerium davon hört, verschwinde ich spurlos in einer dieser geheimen Forschungsstätten, in denen neue Waffen entwickelt werden. Du jagst diesen tausend schon lange nach, Hutch – über vier Jahre. Und was wäre mit Vicky? Sie würde, wahnsinnig werden. Und David? Nimm den Bodenköcher mit zum, Achtzigmeterpunkt und bleib ganz ruhig. Immerhin existiert ein nukleares Gleichgewicht – und wer kann es verantworten, es zu zerstören? Der Zweite Weltkrieg liegt 33 Jahre zurück, und jedermann weiß inzwischen, daß keine Macht Kernwaffen einsetzen will. Sind außerdem nicht mehr Japaner durch Napalm umgekommen, als in H. und N. durch Atombomben getötet worden sind? Visier auf 80 Meter einstellen, Pfeil auf die Sehne setzen, leicht einatmen, die Sehne zurückziehen, den linken Ellbogen nach außen, die Lippen mit der Sehne berühren, das Ziel im Visier, eine winzige Korrektur, bevor…
    »Warum bist du nicht
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