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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft
Autoren: Dirk van Den Boom
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Reling. »Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass uns die alte Dame sicher an unser Ziel bringen wird.«
»Das bin ich ebenfalls«, sagte Rheinberg nur. Er drehte sich um und genoss den Blick auf die Brücke, auf der ein weißgesichtiger von Klasewitz stand und auf die beiden Männer herunterstarrte.
»Das da oben ist der Zweite Offizier«, erwähnte Rheinberg, als er merkte, dass Becker das Starren aufgefallen war. »Halten Sie sich lieber an den Kapitän oder an mich, noch besser: Wenn irgendwas ist, fragen Sie nach Oberbootsmann Köhler. Der ist seit zehn Jahren auf der Saarbrücken und kennt Ecken, von deren Existenz ich gar nichts ahne. Wenn etwas nicht klappt, auch im Zusammenleben mit der Mannschaft, dann ist er der Ansprechpartner.«
Becker nickte gedankenvoll. »Ich habe da einen Wachtmeister, der sich mit ihm anfreunden sollte …«
Rheinberg stellte erfreut fest, dass er mit dem Hauptmann anscheinend auf einer Wellenlänge lag. Wieder fiel sein Blick auf den stocksteifen von Klasewitz, der sie weiterhin beobachtete, als würden sie die Bildung eines Arbeiter-und Soldatenrates auf der Saarbrücken besprechen. Rheinberg ahnte, dass Becker diesen Mann genauso schätzen würde wie er. Das hatte auch damit zu tun, dass der Infanterist ebenso wie Rheinberg ein Offizier bürgerlicher Herkunft war – ein Umstand, der im Heer noch etwas seltener anzutreffen war als in der Flotte. Becker hatte es daher sicher auch nicht immer einfach gehabt, und nicht immer traf man auf hochanständige adlige Vorgesetzte wie von Krautz.
Rheinberg setzte die Führung fort. Becker zeigte sich als ausgesprochen aufmerksamer und konzentrierter Begleiter, der trotz aller ironischen Seitenhiebe und gelegentlichen Witzeleien jede Information in sich aufsog wie ein Schwamm. Am Ende ihrer Runde waren sie in Rheinbergs bescheidener Kajüte angekommen. Der Korvettenkapitän machte eine ausladende Bewegung.
»Seien Sie mein Gast, Herr Hauptmann. Ich werde mich um die Nachtwachen bemühen, dann können Sie hier in Ruhe schlafen. Zur Not haue ich mich in die Badewanne. Mein Bursche sorgt für frische Bettwäsche.«
Becker nickte. Sein Blick fiel auf das einzige Regal des Raumes. Es war dermaßen mit Büchern vollgestopft, dass wahrscheinlich selbst bei schwerstem Seegang keines herausrutschen würde. Er strich mit dem Finger über die Buchrücken und las die Titel laut vor.
»Edward Gibbon, Verfall und Untergang des Römischen Reiches. Die Notitia Dignitatum in neuer Übersetzung. Vegetius. Ambrosius … hm, Sie haben ein Faible für römische Geschichte, Herr Korvettenkapitän.«
Rheinberg lächelte verlegen.
»Seit früher Jugend. Mein Vater hat dieses Interesse gefördert, er meinte, ich könnte für meine Karriere so einiges lernen.«
»Ihr Vater wollte, dass Sie Geschichtsprofessor werden?«
Rheinberg Lächeln bekam einen schmerzlichen Zug.
»Nein, er wollte von Anfang an, dass ich Seeoffizier werde. Aber gerade die Geschichte des ausgehenden Römischen Reiches ist zum größten Teil Militärgeschichte. Ein faszinierendes Thema jedenfalls. Ich habe im Haus meiner Eltern noch eine ganze Wand voll Bücher. Nur die wichtigsten Werke habe ich mitgenommen, ich lese immer wieder gerne in ihnen.«
Becker zog einen dünnen Band mit etwas Mühe aus dem Regal.
»Lateinische Grammatik. Ich will verdammt sein, das ist das Grammatikbuch aus der Oberprima. Es gehört sicher zu den meistgehassten Büchern meiner Jugend.«
Rheinberg grinste nun fast jungenhaft.
»Latein ist meine Leidenschaft. Ich war Klassenbester bis zum Abitur. Ihr Lieblingsfach war es nicht?«
Becker verzog das Gesicht. »Ich war passabel in Griechisch. Latein hat mir permanente Kopfschmerzen bereitet. Wer denkt sich so was Abwegiges wie den Ablativ aus?«
Er schob das Buch vorsichtig zurück an seinen Platz.
»Ihre Leidenschaft für die Militärgeschichte hingegen teile ich. Wir können viel von den antiken Feldherren lernen.«
Rheinberg nickte. »Das können wir, nur leider tun wir es oft nicht. Herr Hauptmann, ich muss mich weiteren Pflichten widmen …«
Becker machte ein schuldbewusstes Gesicht.
»Ich habe Sie schon viel zu lange aufgehalten. Ich kehre zu meinen Männern zurück und wir sehen uns wieder, wenn ich mit der Truppe an Bord gehe. Eines aber noch: In einer meiner Kisten liegen 25 000 Goldmark für den Gouverneur von Kamerun. Wir sollten die sofort verstauen!«
Das hatte Rheinberg fast vergessen. Er bemühte sich mustergültig um Haltung und tat so, als hätte er mit
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