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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft
Autoren: Dirk van Den Boom
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geriet. Der junge Kerl hatte es schwer genug: Bei einem recht langen Abend in der Offiziersmesse war ihm herausgerutscht, dass er noch Jungfrau war, was sich natürlich in Windeseile verbreitet hatte. Vor allem von Klasewitz fand es sehr lustig, das dem Fähnrich auch vor versammelter Mannschaft immer wieder unter die Nase zu reiben. Volkert war ohnehin eher ein schüchterner Typ, und er konnte damit nicht richtig umgehen. Rheinberg war nicht sicher, warum jemand wie er überhaupt zur Flotte gegangen war. Allerdings zeigte der Fähnrich gewisse Qualitäten, kannte sich in den nautischen Techniken gut aus und bewies ein Händchen für die Mechanik des Schiffes. All dies galt es zu fördern – dabei den unerwünschten Eindruck nicht aufkommen zu lassen, er stehe unter dem besonderen Schutz der Schiffsführung, dafür würde schon von Klasewitz sorgen.
Becker, die dampfende Metalltasse mit beiden Händen umklammernd, stellte sich neben Rheinberg, der neben dem Steuermannsmaat breitbeinig hinter den großen Fenstern der Brücke stand und die graublauen Wogen mit kritischem Blick musterte.
»Sie kommen zurecht, Herr Hauptmann?«
Becker nickte und nahm einen Schluck. »Mir geht es gut. Wünschte nur, ich könnte das von all meinen Männern sagen. Ihr Bordarzt macht zum zweiten Mal heute die Runde und die Anzahl der grünen Gesichter ist nicht geringer geworden.«
»Das braucht Zeit. Und Zeit haben wir. Der Wind ist stark, wenngleich nicht mehr so stark wie anfangs. Stärke sechs seit heute Morgen. Aber wir müssen gegen ihn ankämpfen, und kommen nicht auf mehr als zehn Knoten bei erhöhtem Kohleverbrauch.«
»Wir wollten doch ohnehin nicht schneller, um Kohle zu sparen«, erwiderte Becker. Rheinberg nickte anerkennend.
»Bloß – um die Geschwindigkeit zu halten, müssen wir die Maschinen hochfahren, da es gegen den Wind geht. Das kostet uns extra. Hier, sehen Sie selbst …«
Rheinberg führte den Infanteristen zum Kartentisch. Neben seiner Dienststellung als Erster Offizier war er zusätzlich der Navigationsoffizier des Kreuzers, und keiner kannte sich so gut mit den Karten aus wie er – höchstens noch von Krautz selbst. Auf dem Tisch ausgebreitet lag eine Seekarte, die den gesamten Westteil Europas abbildete. Mit feinen Strichen war der geplante Kurs der Saarbrücken eingetragen.
»Wir halten uns zwar nahe der Küste, dennoch werden wir nicht so bald wieder kohlen können. Ich muss Ihnen nicht sagen, wie prekär die politische Lage geworden ist. Der Stationschef selbst sprach vom bald ausbrechenden Kriege. Da will ich in keinem feindlichen Hafen liegen, wenn es losgeht. Also meiden wir Belgien und Frankreich und legen unseren Zwischenstopp in Portugal ein. Was man von dort hört, ist zwar auch nicht wirklich ermutigend, aber Kohlen wird man uns schon lassen.«
»Das ist weit. Wie weit genau?«, fragte Becker.
»Etwas mehr als 2 400 Seemeilen«, erwiderte Rheinberg und sah sofort die leichte Verwirrung in den Augen des Hauptmanns. Er überschlug die Summe in seinem Kopf und fügte dann hinzu: »Etwa 4 500 Kilometer.«
Becker lächelte dankbar und neigte den Kopf. »Ich lerne noch, Herr Korvettenkapitän.«
Im vertrauten Gespräch waren Becker und Rheinberg sehr schnell zum »Du« übergegangen, doch hier, in Gegenwart von Untergebenen, waren solche Vertraulichkeiten unangebracht. Dennoch bemerkten sowohl der Maat wie auch der Signalgast die entspannte Atmosphäre, die die beiden Offiziere verbreiteten, und grinsten über deren Scherze, ohne dass ihnen dies übel genommen wurde.
»Wie lange dann mit zehn Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit?«, hakte Becker nach.
»Wir rechnen mit elf Tagen, wenn uns bezüglich des Wetters nichts Schlimmeres passiert. Wir werden nicht lange in Portugal bleiben: Nur fix Kohlen und Wasser aufnehmen und dann nichts wie ab bis nach Kamerun. Die ganze Küstenlinie bis zur Westafrikastation ist britisch und französisch, bis auf Togoland. Wir sollten uns daher bemühen, so direkt wir möglich bis nach Douala durchzudampfen.«
Becker nickte. »Also genügend Zeit für meine Männer, sich Seebeine zu verschaffen.«
Rheinberg blickte an dem Mann herunter.
»Sie scheinen ja welche zu haben.«
»Man verlernt das nicht mehr. Aber ich verrate Ihnen besser nicht, wie ich mich bei meiner ersten längeren Seereise angestellt habe.«
»Oh doch, das müssen Sie beizeiten tun«, widersprach Rheinberg grinsend, dann wandte er sich wieder dem Bug der Saarbrücken zu, der Gischt spritzend aus einem
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