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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher
Autoren: Anja Krueger
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geschilderten Fall Gebrauch. Den Aufsehern gefiel das Vorgehen des Münchener Versicherers gar nicht. Sie schritten ein und untersagten der Gesellschaft, den Zuschlag zu nehmen. Das wiederum wollte sich die Allianz nicht gefallen lassen. Beide Seiten trafen sich vor Gericht. Schließlich entschied das Bundesverwaltungsgericht zugunsten der BaFin, also im Sinne der Kunden. Die Allianz nahm den neuen Tarif vom Markt und kalkulierte ihn neu – die Beiträge stiegen im Schnitt um 12 Prozent. Die rund 2500 Kunden, die aus dem alten in den neuen Tarif gewechselt waren, bekamen die zu Unrecht erhoben Zuschläge zurück.
    An die BaFin gerichtete Beschwerden über Versicherer landen auf dem Schreibtisch der Mitarbeiter von Burkhard Lehmann, dem Leiter der Abteilung Verbraucherschutz / Recht bei der BaFin. Anders als die Versicherungsbranche hat der Staat nur eine Anlaufstelle für verärgerte Kunden. Im Gebäude des ehemaligen Finanzministeriums in Bonn an der Graurheindorfer Straßewerden sowohl die Beschwerden über die privaten Krankenversicherer als auch die über Unternehmen anderer Sparten bearbeitet. Bürger können auch beim Verbrauchertelefon der BaFin anrufen. Rollt eine Welle mit Beitragserhöhungen der privaten Krankenversicherer durch den Markt, machen auch viele davon Gebrauch. Dann wird das Personal am Telefon aufgerüstet. »Viele Versicherungsnehmer wollen wissen, ob die Beitragserhöhungen rechtens sind«, berichtet Abteilungsleiter Lehmann. Das sind sie in der Regel. Mehr können die Mitarbeiter den erbosten Kunden am Telefon auch nicht sagen. Die Kunden können aber bei der BaFin prüfen lassen, ob der Versicherer die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Beitragserhöhung eingehalten hat.
    Von »Verbrauchern« reden die Beamten in der Beschwerdestelle der BaFin nicht gerne. Anders als der Versicherungsombudsmann sind sie nicht nur für Privatleute und Kleingewerbetreibende zuständig, sondern für alle Versicherungskunden, auch die aus der Industrie. Ihr Selbstverständnis ist aber wie das des Ombudsmanns. »Wir sind Recht und Gesetz verpflichtet und unparteiisch«, sagt Lehmann. Die Aufseher stehen in der Neutralitätspflicht des Staates. »Wir müssen verschiedene Interessen in Einklang bringen.«
    Anders als der Ombudsmann ist die BaFin auch für geschädigte Dritte zuständig, zum Beispiel Unfallopfer. Alle anderen müssen sich entscheiden, ob sie den Ombudsmann oder die BaFin einschalten, beides gleichzeitig geht nicht. Im Gegensatz zum Ombudsmann kann die BaFin im Streitfall nicht verbindlich entscheiden. Die beiden Stellen haben eine Aufgabenteilung. Der Ombudsmann ist für den individuellen Einzelfall zuständig, die Behörde für grundsätzliche Probleme.
    Rund 13000 Beschwerden von Privatkunden und Unternehmen über Versicherer gehen jährlich bei der BaFin ein, jeweils die Hälfte der Fälle betreffen die Personen- und die Sachversicherung. Nicht einmal jede dritte Eingabe ist erfolgreich. Auch bei der BaFin fällt das Kommunikationsdefizit zwischen Versicherungswirtschaft und Verbrauchern auf. Wie beimOmbudsmann gehen viele Beschwerden darauf zurück, dass den Kunden offenbar nicht klar war und vom Vermittler nicht klargemacht wurde, welche Ansprüche sie haben. »Wir bemühen uns, den Versicherungsnehmern den Sachverhalt zu erklären«, sagt Abteilungsleiter Lehmann. »Es kommt vor, dass Versicherungsnehmer sich dafür bedanken, etwas erklärt zu bekommen.«
    Ein typischer Fall: Ein Kunde hat 20 Jahre in eine Lebensversicherung viel Geld eingezahlt und ist mit der Summe, die er nach Vertragsende bekommen hat, nicht einverstanden. Er beschwert sich bei der BaFin. Die Aufseher bitten den Versicherer um eine Stellungnahme. Die Unternehmen haben spezielle Ansprechpartner für die BaFin, damit Unregelmäßigkeiten schnell geklärt werden können. Der Versicherer antwortet, erläutert seine Sicht der Dinge und schickt die Formeln und ermittelten Überschussanteile, damit die Mathematiker der BaFin nachrechnen können. Stellt sich heraus, dass alles seine formale Richtigkeit hat, und das ist meistens der Fall, bekommt der Beschwerdeführer ein Schreiben mit der entsprechenden Erklärung. Hat sich das Unternehmen verrechnet, dringt die Aufsicht darauf, dass der Fehler korrigiert wird. Stellt die BaFin fest, dass Unternehmen ihren Informationspflichten nicht nachkommen, fordert die Behörde sie zu Änderungen auf. Mitarbeiter der BaFin nehmen regelmäßig Routineprüfungen bei den Unternehmen vor.
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