Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher
Autoren: Anja Krueger
Vom Netzwerk:
haben, dass der Versicherer nicht plötzlich seine Geschäftsstrategie ändert oder aufgekauft wird und schärfere Richtlinien aus dem guten einen schlechten Vertrag machen. Er muss das Glück haben, dass die Police nicht nur deshalb so günstig ist, weil der Anbieter in Kürze pleitegeht. Wer Glück haben muss, der hat schon Pech. Denn er ist den Gewalten einfach ausgeliefert.
    Stellt sich heraus, dass der Kunde leider eine Niete gezogen hat, ist es zu spät. Er bleibt auf dem Schaden sitzen oder muss wegen der niedrigen Rente darben. Viele kapitulieren im Kleinkrieg mit Sachbearbeitern und Juristen. Aber es gibt auch viele, die sich nicht geschlagen geben. Sie werden oft als Querulanten, Simulanten oder notorische Nörgler abgestempelt. Sie verdienen unseren Respekt. Die Idee, dass Angebot und Nachfrage für ein Gleichgewicht auf dem Markt sorgen, funktioniert in der Versicherungswirtschaft nicht. Ob beim Verkauf oder bei der Regulierung von Schäden, die Branche missbraucht ihre Macht. Davon handelt dieses Buch.

1. Verzögern, verschleppen, sich verklagen lassen
    Z u verkaufen steht über dem Schild mit der Hausnummer, das in die Gasse in Werne-Stockum zeigt. Am Ende der kleinen Straße wohnen Uwe Steinhardt und seine Frau in einem großzügigen Einfamilienhaus mit schönem Wintergarten. Noch. Das Paar – die drei erwachsenen Kinder sind ausgezogen – sieht keine andere Lösung mehr als den Hausverkauf. Langsam, aber sicher gehen die finanziellen Reserven zu Ende. Die beiden wollen die Zügel in der Hand behalten, sie wollen nicht warten, bis die Zwangsversteigerung droht. Schon immer waren sie vorausschauend, schon immer gingen sie lieber auf Nummer sicher. Um sich gegen Schicksalsschläge zu wappnen, versicherte sich das Paar gut. Das kostete viel Geld. Dann hatte Uwe Steinhardt einen Unfall. Nun machen die beiden die bittere Erfahrung, dass ihr vermeintliches Sicherheitsnetz sie nicht auffängt. »Wenn die Versicherung nicht zahlt, lebe ich in einigen Jahren von Hartz IV«, fürchtet Uwe Steinhardt. Genau das wollte er verhindern, deshalb hatte er vorgesorgt. Glaubte er. Früher war er selbstständiger Vermessungstechniker. Jetzt kann der Zweiundfünfzigjährige nicht mehr arbeiten und steht vor dem finanziellen Ruin. Ruiniert von einem Versicherer, der mehr als 15 Jahre hohe Beiträge kassiert hat, so sieht es Steinhardt. Seit Jahren kämpft er darum, dass die Versicherungsgesellschaft Debeka seine Berufsunfähigkeit anerkennt. Doch ob oder wann das geschieht, ist fraglich. Die Debeka hat Zeit. Uwe Steinhardt nicht.
    Ausgerechnet die Debeka. Das Koblenzer Unternehmen hat einen ausgezeichneten Ruf. Es gilt als einer der solidesten, ja vielleicht als der solideste Versicherer Deutschlands. Die Gesellschaft versichert traditionell viele Beamte. Sie vertreibt ihre Verträge über einen angestellten Außendienst und nicht wie die meisten Konkurrenten über Vertreter, die Dollarzeichenin den Augen haben, wenn sie nur an Kunden denken. In der großen Empfangshalle im Koblenzer Hauptquartier bezeugen links neben dem Eingang weit mehr als ein Dutzend Abbildungen mit besten Benotungen von Test , Focus Money , Euro am Sonntag und anderen Zeitschriften, wie gut Verträge aus diesem Haus bei unabhängigen Prüfern abschneiden.
    Die Debeka ist keine kleine Klitsche, das zeigen nicht nur das fünfzehnstöckige Verwaltungsgebäude und angrenzende Bürokomplexe, eine Viertelstunde zu Fuß vom Deutschen Eck entfernt. Sie ist gemessen an der Zahl der Kunden der größte private deutsche Krankenversicherer und einer der zehn größten Lebensversicherer. Berufsunfähigkeitspolicen sind ebenso wie Rentenversicherungen Teil des sogenannten Lebensgeschäfts. Die Debeka gehört zu den Lebensversicherungen, die ihre Kunden am besten an den Gewinnen beteiligen. Sie verkauft keine fondsgebundenen Lebensversicherungen, bei denen der Kunde allein das Kapitalmarktrisiko trägt. Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gehört sie theoretisch ihren Kunden, die alle auch Mitglieder des Vereins sind. Deshalb muss das Unternehmen keinen Gewinn an Aktionäre ausschütten, der bleibt im Haus oder wird an die Kunden verteilt. Vorstandschef Uwe Laue verdiente 2010 mit 380 000 Euro vergleichsweise bescheiden, Allianz-Chef Michael Diekmann kam mit fast 5,9 Millionen Euro auf mehr als das Zehnfache. Doch Uwe Steinhardt nützt das alles nichts. Die Debeka zahlt nicht. Und das, obwohl die Verantwortlichen in der Ferdinand-Sauerbruch-Straße in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher