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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher
Autoren: Anja Krueger
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großzügig gefördert. Der Kunde soll dafür belohnt werden, dass er der Solidargemeinschaft nicht zur Last fällt, wenn er berufsunfähig wird. Genau das wird aberin vielen Fällen geschehen, wenn sich Bürger nur auf den Rürup-Vertrag verlassen. Denn die Berufsunfähigkeitsrente daraus kann gar nicht ausreichen. Die Kosten für diesen Zusatzschutz schmälern die spätere Rente. Gewinner solcher Kombinationen ist nur der Anbieter – wie immer, wenn es darum geht, dass die Versicherungsbranche Aufgaben übernimmt, die früher die gesetzlichen Sozialsysteme erfüllten. Die Politik höhlt die Sozialsysteme immer mehr aus und treibt die Bürger so in die Arme der Versicherungswirtschaft. Doch die Assekuranz ist weder willens noch fähig, diese Aufgaben so zu bewältigen, dass die Bürger wirklich etwas davon haben. Die dürfen nur zahlen und hoffen, dass sie im Ernstfall auch etwas bekommen. Das ist das Problem: Der Abschluss einer Versicherung gleicht einem Glücksspiel. Vielleicht geht es gut, vielleicht auch nicht.
    Wer nach 1961 geboren ist, ist über die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr dagegen versichert, dass er seinen Job aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Diesen Schutz hat die rot-grüne Koalition 2001 zur Freude der Assekuranz abgeschafft. Versicherungsunternehmen wie HDI Gerling interpretieren das so: »Wenn Sie berufsunfähig werden, tut sich ohne entsprechende Absicherung ein schwarzes Loch auf. Denn Kosten, Hypotheken, Verbindlichkeiten laufen weiter, und Sie fallen als Motor aus. Die eigene Vorsorge als ausreichende Absicherung ist unerlässlich.« 1
    Das »schwarze Loch« bedeutet: Egal, was ein Bürger für einen Beruf erlernt hat, solange er noch arbeitsfähig ist, bekommt er keine Zahlung von der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei gilt jede Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt als zumutbar. Hochqualifizierten und gut Ausgebildeten droht schlimmstenfalls, im Kaufhaus als Regalauffüller arbeiten zu müssen. Ist ein Beschäftigter ganz oder teilweise erwerbsunfähig, kann kaum noch oder gar nicht mehr arbeiten, zahlt die gesetzliche Rentenversicherung. Wie hoch die Erwerbsminderungsrente ist, hängt davon ab, was der Betroffene vorher verdient hat. Die private Versicherung der Berufsunfähigkeit zahlt, wenn der Erkrankte oderVerletzte den bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, ein Dachdecker mit Schwindelattacken etwa nicht mehr aufs Dach steigen oder ein Chirurg nicht mehr operieren kann, weil ihm die Finger zittern. Es geht um die Absicherung des sozialen Status. Viele Offerten der Versicherungsgesellschaften, vor allem die Lockvogelangebote für junge Leute, sehen eine Rente von 500 Euro vor. Das ist ein merkwürdiger Schutz vor dem sozialen Abstieg, der ja gerade verhindert werden soll. Das kann man sich auch sparen. Doch das wollen die Versicherungsunternehmen nicht. Sie wollen an das Geld der Bürger. Und sie verfolgen eine perfide Strategie. Sie machen potenziellen Kunden systematisch Angst.
    Die Versicherer überhöhen das Risiko, berufsunfähig zu werden. »Das sagt die Deutsche Rentenversicherung: Jeder Vierte wird schon vor der Rente arbeitsunfähig. Daher raten wir Ihnen: Schützen Sie sich vor den finanziellen Folgen einer Berufsunfähigkeit«, heißt es in den Werbematerialien des Saarbrücker Direktversicherers CosmosDirekt. Direktversicherer arbeiten ohne Vertreter und vertreiben ihre Policen über das Internet, das Telefon oder Fax. In der Werbung der Allianz Leben trifft es nur jeden Fünften, aber selbstverständlich will auch der Marktführer verkaufen: »Die meisten Deutschen unterschätzen die Wahrscheinlichkeit, berufsunfähig zu werden. Tatsächlich trifft jeden Fünften dieses Schicksal – und das oft schon in jungen Jahren. Krankheiten aller Art gelten dabei als Hauptursache – und nicht, wie oft angenommen, Unfälle.« Der sicherheitsbewusste Verbraucher sorgt vor, weil er die Gefahr von Unfallfolgen erkannt hat. Er soll aber vor etwas anderem mehr Angst haben: der Berufsunfähigkeit. Das ist ein übliches Verkaufsmuster, hunderttausendfach nachgeplappert von Vertretern und Werbefachkräften. »Das Risiko der Berufsunfähigkeit besteht längst nicht nur für ›gefährliche‹ Berufe. Nur ca. 10 Prozent aller Fälle von Berufsunfähigkeit haben ihre Ursache in einem Unfall. 90 Prozent sind hingegen die Folge von Erkrankungen, die in hohem Maße auch bei Berufen mit sitzender Tätigkeit auftreten«, wirbt der Versicherer Hanse Merkur. Wie
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