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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher
Autoren: Anja Krueger
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werden nicht zurückerstattet. »Eine Rückzahlung von Beiträgen an Kunden, die diese Dynamisierung abgeschlossen haben und nicht berufsunfähig werden und weniger Einkommenssteigerungen haben, als die Dynamisierung vorsieht, erübrigt sich, weil der Kunde hier in der Prüfungspflicht ist«, sagt die Alte Leipziger. Der Kunde muss also selbst genau verfolgen, ob sein Einkommen angemessen steigt. Ist das nicht der Fall, muss er das sofort melden, damit er den Mehrbeitrag nicht zahlen muss. Vergisst er das, hat er Pech gehabt. Der Versicherer dagegen nimmt sich das Recht, im Nachhinein zu prüfen und das für ihnGünstigere zu wählen: die Beitragsrückzahlung statt der höheren Rente. Der Kunde ist selbst schuld, wenn er die komplizierte Sachlage nicht versteht und nicht jedes Jahr prüft, ob Gehalt und Dynamisierung gleichermaßen steigen.
    Den Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben zu können – ein Albtraum. Schlimme Krankheiten und Invalidität sind für die Betroffenen und ihre Angehörigen immer eine Katastrophe. Nicht nur der Körper, auch die Seele leidet. Uwe Steinhardt hat nicht nur finanzielle Probleme. Er muss schmerzhaft lernen, dass er ein anderer Mensch geworden ist. Früher war er sportlich, heute kann er nicht mehr auf Inline-Skatern am Ruhr-Marathon teilnehmen. Er sitzt in seinem schönen Wintergarten in dem Haus, das er wohl verkaufen muss, vor hohen Aktenbergen. Dass die Versicherungsgesellschaft ihn wie einen Simulanten behandelt, regt ihn auf. Es kränkt ihn, er ist tief verletzt. Ständig schmiedet er neue Pläne, wie er seine Ansprüche durchsetzen kann. Wie viele Geschädigte, die sich ungerecht behandelt fühlen, lässt er nichts unversucht. Er ist ein Machertyp, er hat Zeit, und er hat viele Ideen. Statt seinen Beruf hat er jetzt einen neuen Lebensinhalt: Er kämpft für seine Entschädigung. An vielen Fronten. Er klagt gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer des Astra Kombi. Schließlich hat der Fahrer den Unfall verursacht und muss für die Folgen aufkommen. Eigentlich. Die Gutachter des Versicherers halten ihn für krank, aber nicht wegen des Unfalls – Verschleißerscheinungen lautet ihre Diagnose.
    Uwe Steinhardt hat unzählige Geschäftsstellen der Debeka im ganzen Bundesgebiet angeschrieben, um die Mitarbeiter auf seinen Fall aufmerksam zu machen. Die Debeka ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Das heißt: Theoretisch gehört sie ihren Versicherten. Er hat sich die Liste der Mitgliedervertreter besorgt und will die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung durchsetzen. Der Versicherer soll eine Ethikkommission für Fälle wie seinen einrichten. Das wird schwer, die Hürden für Initiativen einzelner Mitglieder bei Versicherungsvereinen sind hoch. Die Vorstellung, dass die Gesellschaften in der Hand der Kunden sind, ist eine Fiktion.
    Zuletzt hat er bei der Debeka einen Antrag auf Abschluss einer neuen Berufsunfähigkeitsversicherung gestellt. »Wenn die Debeka meint, dass ich nicht berufsunfähig bin, kann sie mich ja neu versichern«, sagt der Familienvater. Das will die Debeka aber nicht. »Grundlage unserer Entscheidung, Ihrem Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zu entsprechen, sind Ihre persönlichen Antragsangaben und alle dem Debeka Lebensversicherungsverein a. G. vorliegenden ärztlichen Berichte«, schreibt ihm die Debeka zurück. Er ist zu krank.

2. Wie die Politik die Bürger in die Arme der Assekuranz treibt
    D ie Versicherungswirtschaft ist keine Branche wie die Süßwarenindustrie oder das Musikgewerbe. Die Assekuranz hat eine wichtige, ja eine unverzichtbare gesellschaftliche Bedeutung. Risiken zu teilen oder abgeben zu können, ist für Verbraucher und Wirtschaft wichtig, für manche existenziell. Mütter und Väter schlafen besser, wenn sie wissen, dass die Kinder abgesichert sind, wenn ihnen etwas zustößt. Aber: Das auszunutzen ist einfach gemein. Der Staat weiß, dass Menschen geschützt werden müssen, denen von anderen ein Schaden zugefügt wird. Deswegen gibt es so etwas wie Haftung und Schadensersatzansprüche und eine Pflicht zur Haftpflichtversicherung zum Beispiel für Halter von Kraftfahrzeugen und die Angehörigen bestimmter Berufsgruppen. Interessanterweise sind Versicherungsvermittler zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung gesetzlich verpflichtet, Ärzte nicht. Medizinern schreiben das »nur« die Berufsordnungen vor.
    Vieles läuft schief, wenn Versicherer Schäden regulieren sollen.
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