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Die Angst spielt mit

Die Angst spielt mit

Titel: Die Angst spielt mit
Autoren: Elise Title
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er zu.
    “Möchten Sie, dass der Doktor später nach Ihnen sieht, wenn er seine Runde macht? Dr. Bright hat heute Schicht, und Sie kommen doch gut mit ihm aus.”
    “Nein, nein, mir geht es gut.” Parker beobachtete mit Widerwillen, wie sie einen Löffel mit der schlammbraunen Flüssigkeit füllte und dafür sorgte, dass er jeden Tropfen schluckte.
    “Es wäre trotzdem gut, wenn er Sie untersucht”, sagte Kelly, als sie das Zittern der Hand des alten Mannes bemerkte, während er sich die Lippen mit seinem Taschentuch abwischte. Für sein fortgeschrittenes Alter hielt sie Mr. A. grundsätzlich für bemerkenswert gesund, aber im Verlauf des Wochenendes hatte Kelly eine leichte Abwärtsentwicklung festgestellt. Nun ja, dachte sie betrübt, aber mit professioneller Resignation, so ist das oft in diesem Alter.
    Nachdem Schwester Brown gegangen war, griff Parker nach dem braunen Umschlag auf seinem Schreibtisch und rollte sich zu der geschnitzten Zederntruhe vor seinem Bett. Auch er bemerkte das Zittern seiner Hände, als er mit dem Kombinationsschloss herumspielte. Er runzelte die Stirn. Am Wochenende hatte er sich wirklich immer schlechter gefühlt. Vielleicht war es keine so dumme Idee, wenn Bright ihn untersuchte.
    Sorgfältig legte er den braunen Umschlag in seine Zederntruhe, schloss sie und ließ den Riegel einschnappen. Diese ganze Aufregung – die war schuld. Nur davon fühlte er sich schlecht. Sobald der Brief kam – sobald er von
ihr
hörte, würde seine Energie zurückkehren. Endlich würde er die Befriedigung und die Vergeltung verspüren, die ihm so viele Jahre entgangen waren.
    Er schloss die Augen, und ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht. Er hätte den Vormittag verschlafen, hätte Mildred Mead nicht an seine Tür geklopft.
    “Ach du liebe Zeit, habe ich Sie geweckt, Mr. Anderson?”
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Parkers Kopf sich klärte.
    “Ich wollte gerade meine Schwiegermutter auf die Sonnenterrasse bringen, und ich dachte, Sie wollten sich uns anschließen”, erklärte Mildred entschuldigend. “Es wird wohl ein unerträglich heißer Nachmittag, aber auf der Terrasse gibt es noch einen Lufthauch.”
    Parker runzelte die Stirn. Sein Kopf schien verwirrter zu sein als vor dem Nickerchen. “Ihre Mutter?”
    Mildred, eine muntere, vorzeitig ergraute Frau von dreiundfünfzig, betrachtete Parker Anderson besorgt über ihre kleine Brille hinweg. “Helen Mead, meine Schwiegermutter, Mr. Anderson. Ihre Freundin Helen von gegenüber.”
    Das Durcheinander in seinem Kopf klärte sich plötzlich. Parker lachte leise. “Ach Sie sind es, Milly. Die stets wache Lokalreporterin vom
Thornhill Tab.
Sind Sie hier, um den alten Leutchen Gerüchte zu entlocken, Milly?”
    Mildred lachte erleichtert. Einen Moment hatte sie schon gedacht, der arme alte Knabe könnte einen Schlaganfall gehabt haben. “Gerüchte sind für mich die Luft zum Atmen”, scherzte sie.
    Parker warf ihr einen verschlagenen Blick zu. “Sie denken wahrscheinlich, dass mit uns Oldtimern nichts Aufregendes mehr passiert, Milly. Aber man kann nie wissen. Demnächst könnte einer von uns Sie so überraschen, dass es Ihnen die Schlupfhose auszieht.”
    “Also wirklich, Parker”, kam eine hoheitsvolle Stimme von der offenen Tür. “Wir nennen das schon lange nicht mehr Schlupfhose.”
    Parker errötete, als sein Blick zur Tür zuckte und er dort die ehrfurchtgebietende und noch immer die Blicke auf sich ziehende Helen Mead entdeckte.
    Helen, Mildreds hoch gewachsene, würdevolle, weißhaarige, sechsundsiebzigjährige Schwiegermutter, klopfte mit ihrem Stock. “Nun, begeben wir uns jetzt auf die Terrasse oder nicht? Alte Leute können nicht den ganzen Tag herumsitzen, um etwas zu entscheiden. Wir haben nicht mehr so viele Tage übrig.”
    Mildred schenkte ihrer Schwiegermutter ein geduldiges Lächeln. “Aber, aber, Mutter, von Ungeduld bekommst du bloß Verdauungsstörungen.”
    Helen blickte von Mildred zu Parker. “Da wir von Verdauungsstörungen sprechen – fühlen Sie sich heute besser?”
    “Oh ja, viel besser”, versicherte Parker.
    Sobald sie auf der Terrasse Platz genommen hatten, holte Mildred eine Strickarbeit aus ihrer Tasche. “Ein Pullover für meinen Enkel Leif. Er wird nächsten Monat acht, und wie ich meiner Tochter Maggie sagte, sollte er wenigstens einen guten, dicken Pullover für den Winter haben. Sobald ich damit fertig bin, stricke ich eine Weste für ihren älteren Jungen, Michael. Maggie ist
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