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Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche
Autoren: Walter Krämer
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scheint eine – leider typisch deutsche – Bereitschaft, ja Begierde eines Publikums, sich aufzuregen und Angst zu haben, mit einer ebenfalls überdurchschnittlichen Bereitschaft der Medien zusammenzutreffen, diesem Bedürfnis nachzukommen. So wird eine, wie ich zu zeigen versuchen werde, kulturübergreifende Anfälligkeit für irrationale Panikattacken durch mediale deutsche Sonderwege noch verstärkt. Das schaukelt sich zuweilen zu wahren Hysterieorgien empor, die Physik sagt dazu auch Resonanzkatastrophe, unsere ausländischen Freunde schütteln nur den Kopf darüber.
    Mit diesen medialen deutschen Sonderwegen fange ich im ersten Kapitel an. Und dann spüre ich den möglichen Linsen, Prismen und Verzerrungsmechanismen hinterher, nicht zu vergessen die in unserem eigenen Gehirn, die quer durch alle Kulturen diese teure Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit, so wie sie ist, und den Bildern dieser Wirklichkeit in der Zeitung und in unserem Kopf erzeugen. Dass dabei zahlreiche Einsichten von nationalen und internationalen Risikoforschern einfließen werden, auf denen ich aufbaue, versteht sich fast von selbst; die wichtigsten Stichwortgeber sind am Ende eines jeden Kapitels aufgeführt. Vielleicht werden sie dann in Zukunft häufiger gelesen. Es wäre unser aller Schaden nicht.
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    Dortmund, im Juni 2011
    Professor Dr. Walter Krämer

1 Sind wir Deutsche eine Nation von Panikmachern?
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    Â»Wir sind risikobewusst wie sonst kein Land.«
    Erwin Huber, CSU
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    Â»Zwei Reiher aus Porzellan haben in einer Frankfurter Kleingartenanlage einen Vogelgrippe-Fehlalarm ausgelöst. Wie die Polizei am Freitag mitteilte, hatte sich ein besorgter Bürger auf der Wache gemeldet und von einem Vogel berichtet, der in einer Parzelle regungslos und völlig steif stehe. Aus Angst, der Vogel könne möglicherweise mit der Vogelgrippe infiziert sein, ging der Mann zur Polizei, die daraufhin das Ordnungsamt um Hilfe bat.«
    Hannoversche Allgemeine Zeitung
    Â 
    Â 
    Â 
    Die spinnen, die Deutschen. Da sterben pro Jahr jeweils mehr als 100 Menschen an Salmonellenvergiftung, Magen-Darm-Infektionen oder Trichinose, Listeriose oder Morbus Crohn, da grassieren Fisch- und Fleischvergiftungen in Werkskantinen und Altersheimen aller Art, von den mehr als 200 000 vermeidbaren Todesfällen jedes Jahr durch zu viel Alkohol und Fett gar nicht zu reden. Aber Augen zu und weg und runter damit.
    Dann torkelt eine Kuh, und die Republik steht kopf.
    Seit dieser Zeit, seit der BSE-Panik der Jahrtausendwende, sammle ich am Schwarzen Brett meines Statistik-Lehrstuhls an der TU Dortmund »Die Angst der Woche«. Üblicherweise hängen dort die Ergebnisse von Klausuren, auch Konferenzankündigungen oder Themen für Abschlussarbeiten und so fort. Und seit dem Jahr 2000 auch Angstmeldungen anderer Art. Dafür ist das linke Viertel des Brettes abgeteilt, da kommt dann wahllos alles hin, was mir selbst ins Auge fällt oder von Studenten und Mitarbeitern aus deutschen Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnitten und angeliefert wird, ohne Ansicht der wirklichen Gefahr, kommentarlos mit einem Magneten angepinnt. Mit dieser Sammlung fange ich mal an. Denn dieser Querschnitt durch unsere Medienlandschaft zeigt besser als manche tiefschürfende Analyse, wie einäugig und perspektivlos, ja geradezu gemeingefährlich bei uns in Deutschland über Gefahr und Risiko berichtet wird und warum ein Professor für Statistik den wachsenden inneren Drang verspürte: Mensch, dagegen musst du doch was tun!
    Also habe ich was getan. Die folgende Liste beschränkt sich auf Meldungen der letzten vier bis fünf Jahre, alphabetisch sortiert. Nicht ausgewertet wurde die Zeitschrift Öko-Test , das hätte den Rahmen dieses Buchs gesprengt:
    Achtung Kokosnüsse . Jedes Jahr werden weltweit mehr als 100 Menschen durch herabfallende Kokusnüsse erschlagen.
    Aggressive Ameisenart breitet sich in Europa aus . Regensburger Forscher warnen vor einer invasiven Gartenameise, die sich derzeit rasant in ganz Europa ausbreitet und alles andere Kleingetier in Wald und Garten auszurotten droht.
    Airbag als Todesfalle . Und zwar für Kleinkinder in entgegen der Fahrtrichtung installierten Babyschalen. Bei einem Frontalaufprall »wird aus dem Lebensretter Airbag ein lebensgefährliches Geschoss« (ADAC).
    Allergieauslöser Verkehr . Kinder, die an stark befahrenen Straßen
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