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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes
Autoren: Michael Katz Krefeld
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sagte Stig.
    Â»Weiter unten ist noch ein weiteres Team im Einsatz. Aber lassen Sie Ihren Wagen stehen.«
    Stig rannte den Kiesweg hinunter und war rasch aus dem Scheinwerferlicht verschwunden. Er war zwar nicht sonderlich religiös, jetzt aber murmelte er ein ums andere Mal das Vaterunser vor sich hin. Immer schneller ratterte er es herunter, während er vom brausenden Fluss übertönt wurde. Als der Weg sich ein Stück vom Ufer entfernte, lief Stig zwischen den Bäumen hindurch. Der Weg war im Dunkeln kaum noch zu erkennen, und Stig musste höllisch aufpassen, dem Ufer nicht plötzlich zu nah zu kommen und in den reißenden Strom zu stürzen.
    Nach einer Weile sah er vor sich ein flackerndes Licht durch die Zweige tanzen wie Glühwürmchen in einer Juninacht. Erneut beschleunigte er seine Schritte und erblickte im nächsten Moment das Blinklicht eines Krankenwagens, der mitten auf dem Weg stand. Zwischen den Bäumen hatten mehrere Personen einen engen Kreis geschlossen. Hin und wieder wurde das Licht der Taschenlampen von ihren Uniformen reflektiert und blitzte durch die Dunkelheit. Durch die Beine der Männer hindurch sah er ein weißes Tuch aufleuchten. Plötzlich drehte sich jemand um und leuchtete ihm ins Gesicht. Er hielt sich schützend eine Hand vor die Augen, bis das Licht verschwunden war.
    Â»Wir haben sie am Ufer gefunden«, sagte einer der Männer.
    Â»Ãœbel zugerichtet«, sagte ein anderer.
    Nachdem Stigs Augen sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er sie im Kreis der Einsatzkräfte sitzen. Sie war leichenblass. So weiß wie Marmor.

    Â»Es ist ein Wunder, dass sie noch lebt.«
    Die Sanitäter halfen ihr auf die Trage. Trotz des weißen Tuchs um ihre Schultern zitterte Maja vor Kälte. Ihr Gesicht war grün und blau. Dennoch erkannte er den Anflug eines Lächelns auf ihren blassen Lippen. Er konnte es nicht erwidern, starrte sie nur sprachlos an, als könne er nicht glauben, dass sie wirklich am Leben war.
    Im Schein der Taschenlampen streckte ihm Maja ihre Faust entgegen. Langsam öffneten sich die Finger und gaben ein unversehrtes, kleines Fläschchen frei.

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    In aller Eile wurde Maja zur Notaufnahme gefahren, wo man sich ihres unterkühlten Körpers annahm. Bei der nachfolgenden Untersuchung wurden weder Frakturen noch innere Verletzungen festgestellt. Die meisten Schrammen und Prellungen hatte sie erlitten, bevor sie sich in den Fluss geworfen hatte. Der Fluss war ihr also gnädig gewesen. Im Gegensatz zu ihrem Verfolger, der sich nun in der pathologischen Abteilung befand und vermutlich schon von Joseph Linz obduziert wurde. Den Gerüchten zufolge, die Stig aufgeschnappt hatte, war nicht ein Knochen heil geblieben. Stig saß stundenlang an Majas Bett und hielt ihre Hand. Nur darauf kam es jetzt an. Sie würden später noch über alles reden können. Über die Sache und über sich.
    Für Majas Überleben gab es keine vernünftige Erklärung. Bedachte man den Zustand, in dem man sowohl Munkejord als auch den Glatzkopf aus dem Wasser gezogen hatte, dann schien es unmöglich, lebend aus dem Fluss herauszukommen. Zwar reichten seine Tiefe und Breite im Prinzip aus, doch war der reißende Strom gerade wegen seines unvorhersehbaren Verlaufs und den vielen scharfen Unterwasserfelsen berüchtigt.
    Trotzdem war sie am Leben. Nicht zuletzt aufgrund des Einsatzes der Rettungskräfte, die sie gefunden und vor Ort reanimiert hatten.
    Maja hatte früher schon von Menschen gehört, die aufgrund der extrem niedrigen Wassertemperatur überlebt hatten. In den unterkühlten Körpern zirkulierte das Blut langsamer und verteilte das bisschen Sauerstoff, das sich natürlicherweise
in den Blutbahnen zu Herz, Lunge und Gehirn befand. Auf diese Weise konnten die Leute aus ihrem hypothermischen Dämmerzustand geweckt werden. Doch hatte sie noch nie von jemandem gehört, der nach mehreren Stunden wiederbelebt worden war. Dieser Umstand ließ sich nicht erklären. Jemand musste eine schützende Hand über sie gehalten haben.
    Â 
    Maja bekam für drei Tage ihr altes Zimmer zur Verfügung gestellt, weil die Ärzte sie weiter unter Beobachtung behalten wollten. An ihrer Stelle hätte sie dieselben Maßnahmen ergriffen, da bei solchen Unglücksfällen spätere Komplikationen nicht selten waren. Dennoch wäre sie am liebsten mit Stig nach Hause gefahren und
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