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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes
Autoren: Michael Katz Krefeld
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hingen sie schon wieder an ihrer Stoßstange und verpassten ihr einen so heftigen Schlag, dass ihre Kofferraumklappe aufsprang. Der Mercedes geriet ins Rutschen. Komm schon, komm schon!, schoss es ihr durch den Kopf, während die Reifen quietschten. Zwischen ihren Beinen breitete sich eine warme Flüssigkeit aus. Sie konnte nichts dagegen tun. Sie musste weg. Nur weg von hier und den grellen Scheinwerfern entkommen. Plötzlich waren die Lichter neben ihr und verwandelten die Schneeflocken in unzählige Glühwürmchen. Wollten sie an ihr vorbeifahren? Sie verstand nicht, warum. Bis ihr Wagen erneut gerammt wurde. Sie wollten sie von der Straße abdrängen, damit sie gegen die Bäume prallte oder an den Felsen zerschellte. Sie hörte das Rauschen des Wasserfalls, sah seine weiße Gischt durch die Nacht leuchten. Ein weiterer Stoß von der Seite. Er kam ihr nicht mehr so stark vor, weil der glatte Untergrund keinen Widerstand bot. Sie rutschte der Leitplanke entgegen. Stahl kreischte auf Stahl, als der Mercedes in einem Bogen über die Absperrung geschleudert wurde, den brüllenden Wassermassen entgegen. Mit der Vorderseite krachte er gegen den Fels und drohte sich zu überschlagen. Funken sprühten, als das Fahrgestell über den harten Granit schrammte. Fünfzehn, zwanzig Meter weiter kam der Mercedes an einem Felsvorsprung zum Stehen, während sein hinterer Teil von den Wassermassen begraben wurde. Er erinnerte an einen gestrandeten Wal, wie er halb über dem Abgrund hing.
    Warmes Blut lief ihr über das Gesicht. Sie war im Auto herumgeschleudert worden und mit dem Kopf gegen das
Lenkrad gekracht. Aber wie durch ein Wunder war sie am Leben. Um ein Haar wäre sie in den Abgrund gestürzt, dem der Jættewasserfall entgegenbrandete.
    Zwei Lichtkegel wanderten rechts von ihr über die Felsen. Sie hatten die Jagd noch nicht aufgegeben, gleich würden sie bei ihr sein. Maja vergewisserte sich, dass das Fläschchen immer noch in ihrer Tasche lag. Es war unversehrt. Ein Lichtkegel verharrte auf ihrer geborstenen Windschutzscheibe. Über sich hörte sie knurrende Stimmen. Der zweite Lichtkegel irrte durch die Nacht. Sie musste verschwinden, aber die Fahrertür klemmte. Sie sah, wie Skarvs Männer über die Leitplanke kletterten.
    Fieberhaft krabbelte Maja auf den Beifahrersitz hinüber. Sie musste hinaus. Die andere Tür musste sich öffnen lassen. Sie zog am Griff, worauf die Tür weit aufschwang. Schneeflocken wirbelten durch die offene Tür. Sie musste versuchen, zum Fuße des Wasserfalls hinabzusteigen. Mit ihrem verstauchten Knöchel über die spiegelglatten Steine zu klettern. Es war der reine Irrsinn, aber ihre einzige Überlebenschance. Vorsichtig kroch sie dem nächsten Felsvorsprung entgegen.
    Sie wollte gerade hinüberklettern, als sie von hinten an den Haaren gepackt wurde. Ihr Kopf wurde mit so einer Kraft zurückgerissen, dass sie dachte, ihr Genick würde brechen. Durch das Blut, das ihr über das Gesicht lief, konnte sie nur vage seine Umrisse erkennen. Erkannte den kahlen Schädel, der von seinem dampfenden Atem umgeben war. Der Lichtkegel schwang über sie hinweg. So wie damals im Ärztehaus. Jeden Moment erwartete sie den tödlichen Schlag. Ihr blutverschmiertes Lächeln ließ ihn zögern. Lange genug für Maja, um ihm mit einer einzigen Bewegung den Injektor in die Halsschlagader zu rammen und die Kanüle ganz nach unten zu drücken. Die Fentanyllösung schoss in seinen Körper und entfaltete augenblicklich ihre
Wirkung. Seine Hände erschlafften, er ließ die Taschenlampe fallen und stürzte neben ihr zu Boden.
    Im Dunkeln tanzte der andere Lichtkegel über sie hinweg.
    Sie musste die steilen Felsen hinunterklettern und darauf hoffen, dass ihr ein gnädigeres Schicksal beschieden sein würde als Øivind Munkejord. Der Wasserfall schoss in die Tiefe und rauschte unter der Brücke hindurch, wo er sich in einen reißenden Strom verwandelte, der den Fangzonen entgegenschäumte. Wenn sie die steilen Felsen überwand, konnte sie sich vielleicht unter der stockdunklen Brücke verstecken. Sie glitt vorsichtig über die erste Felskuppe hinweg und klammerte sich an den nassen Granit. Es war der reine Wahnsinn. Ein einziger falscher Schritt, und sie würde in die Tiefe stürzen. Ihr rechter Fuß war taub geworden, auf ihn durfte sie sich nicht verlassen. Unter sich sah
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