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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes
Autoren: Michael Katz Krefeld
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spürte dumpf, wie das Wasser in ihre Lungen drang, doch es tat nicht weh. Das Erstickungsgefühl wurde im nächsten Moment von einer Euphorie abgelöst, einem letzten Rausch.
    Das Brausen des Wassers verklang. Der Strom schien zu
versiegen. Er warf sie nicht mehr herum, sondern plätscherte träge gegen ihren Körper. Es kitzelte an der Haut, als würden kleine Bläschen an ihr zerplatzen. Vom Bett des Flusses aus starrte Maja reglos zum Wasserspiegel empor, der sich zunehmend beruhigte. Es schneite immer noch. Wie kleine Sterne fielen die Flocken vom Himmel, brachen durch die Wasseroberfläche und lösten sich vor ihren Augen auf. Der Flug der Flocken wurde immer langsamer, ehe sie in der Luft verharrten und am Himmel festzufrieren schienen. Sie konnte nicht mehr unterscheiden, ob die Flocken Sterne oder die Sterne Flocken waren. Doch sie leuchteten ihr vom dunklen Himmel entgegen. Als befände sie sich inmitten der Ewigkeit.

    Stig stand vor dem Konzerthaus und betrachtete den schneebedeckten Marktplatz. Die dünne, weiße Pulverschneedecke war das einzige Zeichen für den Sturm, der gerade über die Stadt hinweggefegt war. Jetzt herrschte eine drückende Stille. Selbst die Stimmen der vielen Menschen, die aus dem Konzerthaus kamen, schienen von der klaren Nacht verschluckt zu werden.
    Er schaute auf das Display seines Handys. Maja hatte auf keine seiner vielen Nachrichten reagiert. Bereits eine Viertelstunde nach ihrem überstürzten Abschied hatte er zum ersten Mal seine Mailbox kontrolliert. Als sie nach fünfundzwanzig Minuten weder zurückgekehrt noch angerufen hatte, war er leise aufgestanden und ins Foyer gegangen. Er hatte die beiden Angestellten an der Bar nach ihr gefragt, doch sie schüttelten bloß den Kopf und fuhren damit fort, die über dreihundert Champagnergläser mit Schaumwein zu
füllen. Da er sie telefonisch nicht erreichen konnte, hatte er in aller Diskretion auch auf der Damentoilette nach ihr gesucht. Dann hatte er sich sogar hinaus in den Schneesturm gewagt und den Markplatz nach ihr abgesucht. Nachdem er ihr eine letzte gereizte Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hatte, war er wieder in den Saal zurückgekehrt und hatte sich das Konzert zu Ende angehört.
    Am Taxistand herrschte ein enormer Andrang und eine ungehemmte Jagd nach einem freien Wagen. Stig schlug seinen Mantelkragen hoch und nahm direkten Kurs auf den Skudekroen. Da meldete sich sein Handy. Auf dem Display stand »Unbekannte Rufnummer«. Da Maja ihre eigene Nummer stets unterdrücken ließ, meldete er sich verärgert: »Sag mal, wo steckst du eigentlich?«
    Â»Im Auto«, antwortete eine erstaunte Stimme am anderen Ende. Sie gehörte Gustav P., der während des Sturms wie üblich zu Hause gesessen und mit seinem privaten Scanner die Funksprüche der Rettungswagen aufgefangen hatte. Was ausschließlich dem Zweck diente, bei einem aufsehenerregenden Unfall als erster Kameramann vor Ort sein zu können. »Hast du schon gehört?«
    Â»Was?«, fragte Stig.
    Â»Es ist wieder jemand im Fluss gelandet«, antwortete Gustav aufgeregt. »Die Rettungsmannschaft ist schon unterwegs.«
    Â»Im Fluss gelandet? Heute Abend?«
    Â»Offenbar irgendein alter Mercedes, der über die Leitplanke gebrettert ist.«
    Stig hielt abrupt inne. »Ein … Mercedes?«
    Â»Ja, das hat jedenfalls die Zentrale gemeldet.«
    Â»Ich stehe hier auf dem Marktplatz. Hol mich sofort ab!«, rief Stig. »Beeil dich!«
    Es waren keine zehn Minuten vergangen, als Gustav mit dem Reportagewagen auftauchte. Stig hatte ihm gesagt, er
solle die Fußgängerstraße benutzen, was zwar verboten, aber eindeutig der schnellste Weg zu ihm war. Sie bogen auf die Umgehungsstraße ab und jagten in rasender Fahrt dem Jættewasserfall entgegen.
    Stig zündete sich eine Zigarette an. Gustav warf ihm einen tadelnden Blick zu.
    Â»Also eigentlich raucht hier nie jemand im Auto.«
    Â»Fahr einfach«, brummte Stig düster, ohne den Blick von der Fahrbahn zu wenden, dessen Markierungen ihnen entgegenschossen.
    Gustav zog es vor, für den Rest der Fahrt den Mund zu halten.
    Â 
    Als sie die letzte Kurve vor dem Jættefall nahmen, sahen sie bereits das blinkende Lichtermeer der Einsatzfahrzeuge, die sich um den Wasserfall geschart hatten.
    Â»Schau dir das an!«, rief Gustav.
    Ein Beamter, der mitten auf der Fahrbahn stand, wollte Stig und
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