Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Amazonen von Vanga

Die Amazonen von Vanga

Titel: Die Amazonen von Vanga
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Seite gestanden und den Belehrungen Mashagimas gelauscht - ehrfürchtig und ergriffen, als hinge ihr weiteres Leben davon ab. Und in gewisser Weise war dem auch so. Nur wer seinen Körper wirklich bis ins tiefste Innerste beherrschte, der war würdig, eine Amazone geheißen zu werden. Es gehörte mehr dazu als allein die Kraft, ein Schwert zu schwingen. Erst der absolute Einklang zwischen dem Fleisch und jener unfaßbaren, nach dem leiblichen Tod in einer anderen Welt weiterlebenden unsichtbaren Aura, die den Menschen formte, brachte den Sieg. Dieses ferne Sein verhieß der ungeahnte Freuden, die viele im Kampf tötete.
    Burra riß die Lanze aus der Wand und schmetterte, während sie sich umwandte, Gorma den Schaft gegen den Schädel. Mit einem röchelnden Laut sank das Mädchen in die Knie.
    Breitbeinig stand Burra da, auf den erneuten Angriff wartend, den Tertish mit noch größerer Heftigkeit vortragen würde. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihre Züge fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Sie sah nur die Waffe. Alles andere war bedeutungslos.
    Als Tertish zustieß, ließ Burra die Lanze wie das Rad eines Wagens kreisen. Nur mit einer Hand bewegte sie den Schaft der schweren Waffe, die ihr derart einen Schild ersetzte. Tatsächlich vermochte die Angreiferin diese fließende Bewegung nicht zu durchbrechen.
    Burra schnellte vor. Ihr Kampfschrei hallte von den Wänden wider, während sie die gebogene Klinge mit Macht herabsausen ließ. Es gab ein gräßlich knirschendes Geräusch, als Tertishs abwehrend hochgerissene Lanze splitterte. Der heftige Ruck riß das Mädchen von den Beinen. Lediglich um Haaresbreite entging es der tödlichen Schneide.
    Schon wollte Burra nachsetzen und abermals zustoßen, doch ein Geräusch ließ sie herumfahren. Mitten in der Drehung wurde sie schwer getroffen. Das mit einer Eisenkappe versehene untere Ende von Gormas Waffe bohrte sich in ihren Leib. Der Stoß trieb ihr die Luft aus den Lungen, ließ ihr Antlitz gleich werden wie Nebel in der Morgendämmerung.
    Tobende Schmerzen stellten sich ein. Burra sah die Angreiferin unmittelbar vor sich, sah sie in unendlich langsamer Bewegung die Lanze heben…
    Voller Verzweiflung warf sie sich Gorma entgegen und riß sie mit sich zu Boden. Dann versank die Welt um sie her in einem Chaos der verschiedenartigsten Empfindungen.
    Schließlich umfing tosende Schwärze sie - ein Abgrund, der alles, was bisher gewesen, vergessen machte.
     
     
    *
     
    Die Finsternis hielt auch an, als Burra sich ihres Seins allmählich wieder bewußt wurde. Das Erwachen war mit quälenden Schmerzen verbunden. Aber der Wunsch, nie ins Leben zurückzukehren, war einer Amazone unwürdig.
    In ihrem Schädel schien eine Heerschar von Dämonen zu toben. Der Kampf, den sie untereinander austrugen, wurde derart heftig, daß Burra es nicht schaffte, auf die Beine zu kommen.
    Schwer atmend blieb sie liegen, lauschte dem Pochen des Blutes in ihren Schläfen und den wenigen Geräuschen, die von außen her auf sie eindrangen. Es herrschte eine seltsame, bedrückend wirkende Stille, nur hin und wieder von leisem Rascheln durchbrochen.
    Die Dunkelheit wollte nicht weichen.
    Burras Finger tasteten über rauhen, steinigen Boden, der die Nässe des Untergrunds in sich trug und von Flechten überzogen war.
    Erstaunt stellte sie fest, daß sie nicht wußte, wo sie sich befand. Das war kein Raum innerhalb der Burg, den sie kannte.
    Obwohl Burra gelernt hatte, Gefühle wie Enttäuschung und Glück aus ihren Gedanken zu verdrängen, schnürte es ihr die Kehle zu. War sie verbannt, weil sie den Kampf verloren hatte?
    Das Rascheln kam näher. Es hörte sich an, als scharrten winzige Füße über die Steinplatten.
    Allmählich gewann Burra die Herrschaft über ihre tauben Glieder zurück. Sie wollte die Beine anziehen, aber ein höllischer Schmerz in ihrem Unterleib hinderte sie daran. Es fehlte nicht viel, und Gormas Lanze hätte ihr die Knochen zerschmettert.
    Die Erinnerung war es, die das Mädchen zur Besonnenheit mahnte. Sollte alles vergessen sein, was sie oftmals unter unsagbaren Mühen und Entbehrungen gelernt hatte?
    Zunächst galt es die Fragen zu klären, die grundlegend und mit ihrem Schicksal verknüpft waren, wie das Handeln der Zaubermutter Zaem Wohl und Wehe des Landes Ganzak bestimmte.
    »Wo bin ich?« murmelte Burra leise vor sich hin.
    Abermals versuchte sie, sich zu erheben. Der Schweiß rann ihr in Strömen über den Körper, während sie sich mühsam hochstemmte. Ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher