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Die Alpen

Titel: Die Alpen
Autoren: Albrecht von Haller
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begleitet ihre Reise.
    Bald, wann der trübe Herbst die falben Blätter pflücket
Und sich die kühle Luft in graue Nebel hüllt,
So wird der Erde Schoß mit neuer Zier geschmücket,
An Pracht und Blumen arm, mit Nutzen angefüllt;
Des Frühlings Augen-Lust weicht nützlicherm Vergnügen,
Die Früchte funkeln da, wo vor die Blüte stund:
Der Apfel reifes Gold, durchstriemt mit Purpur-Zügen,
Beugt den gestutzten Ast und nähert sich dem Mund.
Der Birnen süß Geschlecht, die Honig-reiche Pflaume Die am Fuße der Alpen liegenden Täler sind überhaupt voll Obst, welches einen guten Teil ihrer Nahrung ausmacht.
Reizt ihres Meisters Hand und wartet an dem Baume.
    Zwar hier bekränzt der Herbst die Hügel nicht mit Reben, Dieser Mangel an Wein ist den eigentlichen Alpen eigen, dann die nächsten Täler zeugen oft die stärksten Weine, ganz nahe unter den Eisgebürgen, wie der feurige Wein zu Martinach am Fuß des S.-Bernhards-Bergs. Aber ich beschreibe hier die Einwohner der bernischen Täler Weißland und Siebental, wo allerdings kein Wein und wenig Korn erzielet wird.
Man preßt kein gährend Naß gequetschten Beeren ab.
Die Erde hat zum Durst nur Brünnen hergegeben,
Und kein gekünstelt Saur beschleunigt unser Grab.
Beglückte, klaget nicht! ihr wuchert im Verlieren;
Kein nötiges Getränk, ein Gift verlieret ihr!
Die gütige Natur verbietet ihn den Tieren,
Der Mensch allein trinkt Wein und wird dadurch ein Tier.
Für euch, o Selige! will das Verhängnis sorgen,
Es hat zum Untergang den Weg euch selbst verborgen.
    Allein es ist auch hier der Herbst nicht leer an Schätzen,
Die List und Wachsamkeit auf hohen Bergen findt.
Eh sich der Himmel zeigt und sich die Nebel setzen,
Schallt schon des Jägers Horn und weckt das Felsen-Kind;
Da setzt ein schüchtern Gems, beflügelt durch den Schrecken,
Durch den entfernten Raum gespaltner Felsen fort;
Dort eilt ein künstlich Blei nach schwer gehörnten Böcken ,
Hier flieht ein leichtes Reh, es schwankt und sinket dort.
Der Hunde lauter Kampf, des Erztes tödlich Knallen
Tönt durch das krumme Tal und macht den Wald erschallen.
    Indessen, daß der Frost sie nicht entblößt berücke,
So macht des Volkes Fleiß aus Milch der Alpen Mehl.
Hier wird auf strenger Glut geschiedner Zieger dicke,
Und dort gerinnt die Milch und wird ein stehend Öl;
Hier preßt ein stark Gewicht den schweren Satz der Molke,
Dort trennt ein gährend Saur das Wasser und das Fett;
Hier kocht der zweite Raub der Milch dem armen Volke,
Dort bildt den neuen Käs ein rund geschnitten Brett. Recocta oder Zieger. Man kann hierbei des Herrn Scheuchzers Beschreibung der Milcharbeiten in der ersten Alpenreise nach des geschickten Hrn. Sulzers Übersetzung nachsehen.
Das ganze Haus greift an und schämt sich, leer zu stehen,
Kein Sklaven-Handwerk ist so schwer als Müßiggehen.
    Hat nun die müde Welt sich in den Frost begraben,
Der Berge Täler Eis, die Spitzen Schnee bedeckt,
Ruht das erschöpfte Feld nun aus für neue Gaben,
Weil ein kristallner Damm der Flüsse Lauf versteckt,
Dann zieht sich auch der Hirt in die beschneiten Hütten,
Wo fetter Fichten Dampf die dürren Balken schwärzt;
Hier zahlt die süße Ruh die Müh, die er erlitten,
Der Sorgen-lose Tag wird freudig durchgescherzt,
Und wenn die Nachbarn sich zu seinem Herde setzen,
So weiß ihr klug Gespräch auch Weise zu ergötzen.
    Der eine lehrt die Kunst, was uns die Wolken tragen,
Im Spiegel der Natur vernünftig vorzusehn, Alle diese Beschreibungen von klugen Bauern sind nach der Natur nachgeahmt, obwohl ein Fremder dieselben der Einbildung zuzuschreiben versucht werden möchte. Der Liebhaber der Natur, der alte tapfere Krieger, der bäurische Dichter und selbst der Staatsmann im Hirtenkleide sind auf den Alpen gemein. Ihrer Einwohner Beredsamkeit, ihre Klugheit und ihre Liebe zur Dichtkunst sind in meinem Vaterlande so bekannt als auswärtig ihre unerschrockne Standhaftigkeit im Gefechte.
Er kann der Winde Strich, den Lauf der Wetter sagen
Und sieht in heller Luft den Sturm von weitem wehn;
Er kennt die Kraft des Monds, die Würkung seiner Farben,
Er weiß, was am Gebürg ein früher Nebel will;
Er zählt im Märzen schon der fernen Ernte Garben
Und hält, wenn alles mäht, bei nahem Regen still;
Er ist des Dorfes Rat, sein Ausspruch macht sie sicher,
Und die Erfahrenheit dient ihm vor tausend Bücher.
    Ein junger Schäfer stimmt indessen seine Leier,
Dazu er ganz entzückt ein neues Liedgen singt,
Natur und Liebe gießt in ihn ein heimlich
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