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Die Akte Kachelmann

Die Akte Kachelmann

Titel: Die Akte Kachelmann
Autoren: Thomas Knellwolf
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Beamtin, wer der Mann sei, der sie vergewaltigt habe. Sonja A. stockt. Die Antwort ist ihr sichtlich unangenehm. Dann antwortet sie: «Jörg Kachelmann.» Ob sie den aus dem Fernsehen meine? Es kommt ein Ja. Auf die Vernehmungsbeamtin wirkt es erleichtert, irgendwie.
    Dann erzählt Sonja A., sie sei seit elf Jahren mit Jörg Kachelmann liiert. Er besuche sie sporadisch, wenn er in der Nähe zu tun habe oder auf der Durchreise sei. Gestern sei er vorbeigekommen, weil er heute von Frankfurt nach Vancouver fliege.
    Der wartenden Mutter bringt eine jüngere Kripobeamtin ein Glas Wasser. Die ältere Dame schwatzt zusammenhanglos. Vom langjährigen Freund ihrer Tochter, Jörg, Jörg Kachelmann, in dem sie sich so getäuscht hätten. So wird es Karen M., diese jüngere Kripobeamtin, am fünften Prozesstag wiedergeben.
    Drinnen erzählt Sonja A. von der schlimmsten Nacht ihres Lebens: Kachelmann sei spät gekommen, gegen 23 Uhr. Sie hätten gegessen, gestritten, weil sie am Nachmittag im Briefkasten ein Kuvert gefunden habe. Darin lagen zwei Kopien von Flugscheinen und ein Begleitschreiben, alles anonym. «Er schläft mit ihr!», habe darauf gestanden und sonst nur die Adresse von Sonja A. Das eine Ticket war auf Jörg Kachelmann ausgestellt, das andere auf einen ihr unbekannten Frauennamen.
    Damit habe sie ihn konfrontiert. Jörg Kachelmann, so ihre Version, stritt ab, die Frau zu kennen. Doch dann gab er zu, dass da mal was war. Dass er untreu sei. Sie habe ihn gebeten, ihre Wohnung sofort zu verlassen. Statt zu gehen, habe er sie zurechtgewiesen. Du hast mir nicht zu sagen, wann ich gehen soll. Du entscheidest nicht, wann es vorbei ist. So erzählt sie es. Dann, plötzlich, sei Jörg Kachelmann in die Küche verschwunden. Sie, perplex, hinterher. Er habe sich ein Messer gegriffen, es ihr an den Hals gehalten, sie an den Haaren gezerrt. Sie flehte ihn an, so sagt sie, ihr nichts anzutun.
    Während Sonja A. auf der Schwetzinger Polizeidienststelle ihre Beschuldigung erhebt, verfasst ihr vermeintlicher Peiniger in Hotelzimmer 201 geschäftliche und private E-Mails. Ob alles o.k. sei, hat eine Managerin seiner Meteomedia elektronisch nachgefragt. Müde, antwortet Jörg Kachelmann. Fünf, höchstens sechs Stunden hat er zwischen dem Einchecken im Holiday Inn und der ersten E-Mail schlafen können.
    Wenn es so war, wie Sonja A. es schildert, kann Jörg Kachelmann kaum Ruhe gefunden haben. «Halt die Klappe», soll er zu ihr gesagt haben, als er ihr das Messer an die Kehle drückte und sie ins Schlafzimmer schob, «oder du bist tot». Mehr als ein halbes Dutzend Mal schildert Sonja A. im Strafverfahren, wie er sie dann vergewaltigt habe. Doch das erste Mal ist besonders bedeutungsvoll für die Wahrheitsfindung, da sollte die Erinnerung frisch sein. Ganz ruhig sei er gewesen, überhaupt nicht hysterisch, erzählt sie sieben, achtStunden, nachdem er sie verlassen hat. Sie habe gefürchtet, dass er sie umbringt. Aus Todesangst habe sie nicht geschrien. Es hat sich angefühlt, sagt sie noch, wie eine Ewigkeit.
    Der angebliche Vergewaltiger im Holiday Inn chattet mit der PR-Beraterin Herta C. aus dem appenzellischen Weissbad. Was Sonja A. nicht weiß: Mit der Parallelpartnerin teilt der Beschuldigte am Fuß des Ostschweizer Alpsteingebirges bereits seit dem Frühling 2008 ein Chalet. Die Hauskatze blutet an diesem Morgen aus dem Maul. Kachelmann und die Frau im Appenzellerland tauschen sich über mögliche Ursachen des Leidens aus. Sie vermutet, das Tierchen habe auf etwas gebissen. Vielleicht sei es auch ein Milchzahn, der wackelt, mutmaßt er.
    Solche elektronische Korrespondenz ist privat, selbst wenn ein Beteiligter der prominenteste Wettermoderator im deutschen Sprachraum ist. Doch später, im Mannheimer Vergewaltigungsprozess, werden die Chatauszüge zu entlastenden Beweismitteln, denn nicht das kleinste Detail in den E-Mail-Auszügen deutet darauf hin, dass Jörg Kachelmann wenige Stunden zuvor eine Frau brutal misshandelt haben könnte.
    Die Vernehmung von Sonja A. wird bereits nach einer Dreiviertelstunde abgebrochen. Die Polizistin, die sie befragte, hat nicht das Gefühl, dass an der Darstellung der brutalen Tat etwas nicht stimmen könnte. Allerdings erweckt sie in der Mannheimer Hauptverhandlung nicht den Eindruck, als würde sie Aussagen von angeblichen oder tatsächlichen Opfern von Sexualdelikten allzu sehr hinterfragen.
    «Fix und fertig», so sagt die Kriminalhauptkommissarin vor Gericht aus, erschien ihr Sonja A.
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