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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha
Autoren: Philipp Vandenberg
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Antiquitäten mit Preisen bis hunderttausend Euro.«
    Lewezow begann sich Notizen zu machen, schließlich blickte er auf und sagte: »Wenn ich Sie recht verstehe, vermuten Sie, dass Ihr Exmann mit Organhändlern gemeinsame Sache macht.«
    Veronique sah Lewezow ohne jede Regung ins Gesicht.
    »Und wenn ich Sie weiter richtig verstehe«, setzte der seine Rede fort, »möchten Sie – vorausgesetzt Ihre Vermutung sollte sich als richtig erweisen – Gropius mit Ihrem Wissen …«
    »… erpressen! Sprechen Sie es ruhig aus. Ich will nicht, dass mein Mann mich nach achtzehn Jahren Ehe wie einen Dienstboten mit drei Monatsgehältern abspeist, verstehen Sie?«
    Mit der flachen Hand fuhr sich Lewezow über den gepflegten, kahlen Schädel, während seine Augen auf den Notizen vor sich auf dem Tisch ruhten. »Keine leichte Aufgabe«, knurrte er nachdenklich vor sich hin, »ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dies einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert.«
    »Am Geld soll es nicht scheitern«, entgegnete Veronique, »schließlich geht es um viel.«
    Lewezow nickte stumm.
    »Das Foto können Sie behalten. Und hier«, sie zog ein gefaltetes Papier aus ihrer Handtasche – »hier habe ich alle Namen und Adressen des persönlichen Umfelds meines Mannes aufgeschrieben, einschließlich der kleinen Schlampe aus der Klinik, mit der er zweimal die Woche das Bett teilt.«
    Mit Staunen überflog Lewezow die Angaben, und anerkennend bemerkte er: »Höchst professionell, Madame, wirklich, höchst professionell!«
    Veronique machte eine unwillige Geste, als wollte sie sagen: Bitte sparen Sie sich Ihre Komplimente. Stattdessen schob sie ihrem Gegenüber einen ausgefüllten Scheck über die Tischplatte und meinte: »Fünftausend. Das sollte fürs Erste genügen. Später rechnen wir ab.«
    Es gab kaum etwas, das Lewezows depressive Stimmung mehr verbessern konnte als Geld. Nach alter Gewohnheit pflegte er Schecks zu küssen. Das tat er auch diesmal, bevor er mit den Worten verschwand: »Madame, ich bin sicher, Ihnen behilflich sein zu können.«
    Als Professor Gropius den Intensivraum betrat, war Arno Schlesinger bereits tot. Das EKG gab einen konstanten hohen Pfeifton von sich. Gropius stieß den Pfarrer, eine hoch aufgeschossene schwarze Gestalt mit weißem Halskragen, der ein unverständliches Gebet lispelte, beiseite.
    »Wie konnte das passieren?«, herrschte der Professor seinen Oberarzt Dr. Fichte an.
    Dieser, ein jungenhafter Typ mit dunklem Kraushaar und im selben Alter wie Gropius, schüttelte den Kopf. Ratlos blickte er auf Schlesinger, der mit halb geschlossenen Augen und offenem Mund, den Kopf zur Seite gekippt, in einem Gewirr von Kabeln und Schläuchen dalag. Leise, kaum hörbar, sagte er: »Plötzlich auftretende Tachykardie, kurzzeitiger Pulsus dicrotus, wenig später Herzstillstand. Ich habe keine Erklärung.«
    »Warum haben Sie mich nicht eher gerufen?«, wandte sich Gropius der Aufsichtsschwester zu.
    Die Schwester, eine wohlbeleibte Blondine, die schon viele Patienten hatte sterben sehen, erwiderte eher teilnahmslos: »Tut mir Leid, Herr Professor, es ging alles so schnell.« Und nicht weniger teilnahmslos und mit einem Fingerzeig auf die Leitungen, mit denen der Tote noch immer verkabelt war, sagte sie: »Dann kann ich wohl abstecken.«
    Während die Schwester das EKG ausschaltete und die Kabel einsammelte, traten Gropius und sein Oberarzt ans Fenster und blickten ins Freie. Ohne seinen Kollegen anzusehen, fragte der Professor: »Was ist Ihre Meinung, Fichte?«
    Der Oberarzt zögerte.
    »Sie brauchen mich nicht zu schonen!«, ermunterte Gropius seinen Oberarzt.
    »Vermutlich eine Blutung der Ösophagus-Varizen.«
    Gropius nickte. »Nahe liegend. Aber ich glaube nicht daran. In diesem Fall hätte ich mir einen Vorwurf zu machen.«
    »Ich wollte Ihnen damit keinesfalls irgendeine Schuld …«, beeilte sich der Oberarzt hinzuzufügen, aber Gropius unterbrach ihn.
    »Schon gut. Sie haben völlig Recht. Eine Blutung ist nahe liegend. Und deshalb werde ich eine Obduktion veranlassen.«
    »Sie wollen …«
    »Das bin ich meinem Ruf schuldig. Ich möchte nicht, dass irgendwann einmal das Gerücht aufkommt, Gropius habe in einem bestimmten Fall schlampige Arbeit geleistet. Ich bestehe auf einer Obduktion.«
    Als die blonde Schwester merkte, dass das Gespräch ins Grundsätzliche ging, zog sie es vor, den Intensivraum zu verlassen. Langjährige Erfahrung in ihrem Beruf hatte sie gelehrt, dass derartige Gespräche
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